Patricia Highsmiths reuloser Mörder, nun auf der Bühne

(c) Theater der Jugend
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Thomas Birkmeir inszeniert am Theater der Jugend „Der talentierte Mr. Ripley“: ein liebesbedürftiger Schurke in einer kühlen Welt. Ab 13 Jahren.

„Ich habe eine klammheimliche Sympathie für Missetäter, und ich weiß, dass das abscheulich von mir ist“, sagte Patricia Highsmith 1968 in einem Interview. Der 13 Jahre zuvor von ihr geschaffene und inzwischen zweifach verfilmte „Talentierte Mr. Ripley“ ist ein Missetäter, dem Sympathie entgegenzubringen einem nicht schwerfällt. Natürlich lehnt man sein Verhalten ab – schließlich lügt, betrügt, mordet er ohne Reue – und doch gönnt man es ihm, dass er damit durchkommt. Im Theater der Jugend zeigt Intendant Thomas Birkmeir nun seine eigene, solide Bühnenfassung des Romans.

Sie lässt einen abermals grübeln, wie ein so skrupelloser Charakter den Zuschauer so auf seine Seite ziehen kann. Tom Ripley ist ein blasser Brillenträger, der sich mithilfe seiner Talente – Unterschriften fälschen, Menschen nachahmen – durchs Leben schwindelt. Ein reicher New Yorker Schiffsbauer schickt ihn nach Italien, wo er dessen Sohn Dickie Greenleaf, einen launischen Hedonisten, zur Rückkehr nach Amerika überreden soll. Hauptdarsteller Jakob Elsenwenger trägt das ganze Stück, er gibt Ripley als vielschichtigen Menschen: Grant auf die privilegierte Elite schwingt in seinen eloquenten Reden ebenso mit wie der Charme eines mittellosen Bohemien. Mit verzweifelter Sehnsucht drückt er seine (unerwiderte) Liebe zu Dickie (Julian Schneider) aus, vor dessen Freundin Marge (Ursula Anna Baumgartner) er rein freundschaftliche Absichten vortäuscht. Dann erklärt er dem Publikum, erregt von seinen amoralischen Gedanken, wie er mittels Identitätsdiebstahl zu einem besseren Leben aufzusteigen gedenkt – und sichert sich die Komplizenschaft der Zuseher. Wozu er dann tatsächlich fähig ist, das scheint ihn manchmal selbst zu überraschen.

Mord in Zeitlupe

Das minimalistische Bühnenbild in der Innenstadt-Spielstätte Theater im Zentrum spiegelt die kalkulierende, unterkühlte Seite des Tom Ripley: Wenn blaues Licht durch den die Bühne eingrenzenden Schnürlvorhang fällt und die LED-Streifen im Boden aufleuchten, sieht es aus wie im Solarium; Licht- und Videoeffekte führen durch die Schauplätze. Etwa auf das offene Meer, wo Ripley in Zeitlupe seinen ersten Mord verübt. An anderer Stelle werden die weißen Fäden zu Gitterstäben, die Ripley in seinen Träumen immer näher kommen. Er mag keine Reue und kein Mitgefühl zeigen, aber kalt lassen ihn seine Taten auch nicht – und sei es nur, weil er um die eigene Seelenruhe fürchtet. „Ich bin sicher, in einiger Zeit werde ich vergessen haben, dass ich gemordet habe“, sagt er. Auch das will man ihm fast gönnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2017)

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