Rabenhof-Theater: Hommage an Heller

Gut gemeint, gut gemacht, trotzdem daneben: Heller-Show „Holodrio“ im Rabenhof-Theater.
Gut gemeint, gut gemacht, trotzdem daneben: Heller-Show „Holodrio“ im Rabenhof-Theater.(c) Rabenhof/Pertramer
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Thomas Gratzer vergriff sich zum Siebziger an dem Poeten. Das Publikum jubelte heftig.

Kaum hatte er die Szene betreten, da war er schon wieder weg: Tot! André Heller kommentierte 1972 im ORF als Reporter sein eigenes Begräbnis – heute auf Youtube zu sehen. Ein aufgebahrter Torso schockierte damals auf dem Plattencover zu „Wer war André Heller?“: Live fast, die young, ein Stück 1968er-Revolution aus Wien. Am 22. März feiert Heller, inzwischen Universalkünstler und Gestalter internationaler Projekte, seinen 70. Geburtstag. Seine neueste Kreation, die Gartenlandschaft „Anima“, befindet sich in Marrakesch. Junge Leute finden sie urcool und wollen dorthin.

Thomas Gratzer würdigt nun in seinem Rabenhof-Theater Hellers Frühwerk: „Holodrio. Lass mich Dein Dreckstück sein“ heißt die Performance, die bei der Premiere Dienstagabend bejubelt wurde, wahrscheinlich, weil man sich immer wieder nur wundern kann, wie genial diese Texte und Lieder waren, die an lokaler Wirkung den Rolling Stones oder den Beatles kaum nachstanden.

Das hat damit zu tun, dass Heller sich an Größen wie Helmut Qualtinger orientierte. Heller hatte Charisma, nie kokettierte er mit dem Publikum oder spekulierte auf Lacher. Seine unbewegliche Miene war ein Markenzeichen und er war farbenfroh unterwegs zwischen Lyrik, Mundart und Bekenntnis. Gratzer und sein Team haben sich in ihren Stoff hineingekniet, aber auch auf ihr Objekt der Begierde drauf. Dabei wurde dessen Magie beschädigt. Immerhin: Die Auswahl der Werke ist repräsentativ, auch wenn schöne Stücke wie „Esther“, „Abendland“ oder „Der Italiener“ fehlen. Heller galt als Kleinkünstler, das war er nie. Ob er den Krampfadern-Wettbewerb im Gasthaus Uridil schilderte oder den Frust eines Souffleurs, ob er eine Schimpforgie entfesselte, Hollywood-Star Jean Harlow feierte oder mit „Sei ein Poet“ seine Zuhörer anfeuerte, er kannte sich aus mit Form, Präsentation und Wirkung. Bei „Holodrio“ ist alles etwas holodrio.

Heller ist auch ein Stück Nachkriegszeit: Lederhosen, Hirschfänger, Stephansdom mit Weihrauch-Betäubung, Quälerei im Internat in Aussee und schamloser Antisemitismus. Das Bombardement an Unterhaltungsindustrie und Medien wie heute gab es noch nicht. Die Alternativen zu Heller waren Heinz Conrads, die Peter-Alexander-Show und Klausjürgen Wussow im Burgtheater, Wiehern ist jetzt nicht angebracht, der Schwarzwald-Klinikchef hat dort damals wirklich den Posa im „Carlos“ (mit Brandauer) gespielt. Hellers Atout war, dass er alles das niederriss und doch ein Teil davon war.

Das Original ist einfach so viel besser

Die Alten regten sich über ihn auf, die Halbstarken waren begeistert. Ironisch war Heller nie, diese Keule, die Kunst auch zunichte machen kann, war damals noch nicht so notorisch im Gebrauch. Heller kann man auch nicht persiflieren, nicht auf diese grobe, vordergründige Weise. Der Mann hat einen rührenden Ernst und ein unbekümmertes Pathos, das ist ihm bis heute geblieben.

Man kann ihn karikieren, aber nur radikal, nicht in halber unbeholfener Verehrung. Im übrigen hat das Hellerische nichts mit Transgender zu tun – eher mit Narzissmus. Christoph Krutzler, Lucy McEvil, Oliver Welter, Alf Peherstorfer haben diese Show perfekt einstudiert, der Aura des Originals kommen sie aber in kaum einer Minute nahe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2017)

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