Pop

Lieder, die um die Welt gehen

MAX RAABE
MAX RAABE(c) APA/HANS KLAUS TECHT
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Konzerthaus. Max Raabe und sein Pianist Christoph Israel bezauberten mit einem ebenso melancholischen wie frivolen Liederabend.

Das distinguierte Repertoire der Liederabende von Max Raabe ist penibelst ausgewählt: Den Liedern, die sowohl aus den Dreißigerjahren wie auch aus der Gegenwart stammen, ist gemeinsam, dass sie von der Herrlichkeit des Lebens in glücksfernen Zeiten handeln. Und davon, wie sehr sich Männlein und Weiblein ineinander täuschen können im Dschungel der Gefühle.

Eigentlich standen ja zwei Solisten auf der Bühne. Der sensible, zuweilen auch forsche Pianist Christoph Israel und der sich leidenschaftlich gern eine kühle Aura gebende, aber tief drin doch flamboyante Sänger Max Raabe. Die beiden kennen einander aus Kindheitstagen in Lünen, wo sie, immer schon die gute Melodie schätzend, pfeifend über die Felder liefen. Die intime Vorstellung im Mozartsaal hob mit einer sachten Interpretation des Comedian-Harmonists-Klassikers „Wenn der Wind weht über das Meer“ an. Die raffinierte Zögerlichkeit des Klaviers schmiegte sich perfekt an Raabes Gesang an, dem es meisterhaft gelang, die Bangheit eines Herzens fühlbar zu machen, das, einen Ozean weit vom Liebchen entfernt, zu brennen beginnt. „Wenn der Wind weht, träum' ich dabei. Mädel, ich träum', du bist treu.“

Ein paar Lieder weiter war nur mehr wenig vom bürgerlichen Konzept der Zweisamkeit die Rede. Der schwungvolle Tango „Mein Herz ist ein Salon für schöne Damen“ flirtete kokett mit der Idee der Vielweiberei. „Man sieht Brünette und süße blonde Engel, erst im Frühling gibt es ein Gedrängel“, sang Raabe kühn. Im komplizenhaften Flüsterton dachte er sogleich darüber nach, diesen sündhaften Salon auszubauen.

Das überwiegend aus älteren Semestern bestehende Publikum seufzte deutlich vernehmbar an den vielen frivolen Stellen des famosen Salonorchestertangos „Ich kenn ein kleines Herrenartikelgeschäft“. Auch die Doppeldeutigkeiten des berühmten Wiener Autors und Komponisten Fritz Rotter in „Ich kenn zwei süße Schwestern“ und „Sag nicht Du zu mir, wenn meine Frau dabei ist“ wurden allseits goutiert.

„Küssen kann man nicht alleine“

In anderen Liedern aber regierten majestätisch Melancholie und Sehnsucht, die Raabe auf höchst nuancierte Weise zelebrierte. Mögen auch andere, wie zuletzt der Opernsänger Jonas Kaufmann, ins Tonfilmschlager-Genre wildern kommen, niemand interpretiert es beseelter als Raabe. Das war ganz ausgezeichnet bei „Ein Lied geht um die Welt“ zu bemerken, das ja einst der unvergleichliche Joseph Schmidt gesungen hat. Nach dem selbst verfassten Hit „Küssen kann man nicht alleine“ folgte noch „Lebe wohl, gute Reise“, das so kompliziertes Gefühl wie duldsame Verzweiflung etablierte. Standing Ovations!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2014)

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