Olivenwasser: Dunkel und wirksam

Hochsaison. Ab Mitte Oktober wird auf der Fattoria La Vialla Olivenöl gepresst.
Hochsaison. Ab Mitte Oktober wird auf der Fattoria La Vialla Olivenöl gepresst.Anna Burghardt
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Abfallverwertung mit Mehrwert: In der Toskana entsteht aus Olivenpresswasser ein neues „Supernahrungsmittel“.

Früher wäre das Olivenwasser auf der Fattoria La Vialla einfach auf dem Kompost gelandet. Außer die paar Liter, die von manchen Bauersleuten während der Olivenernte getrunken wurden. Wie etwa von der im Jahr 2000 verstorbenen Urgroßmutter der Familie Lo Franco, der das Bilderbuchlandgut in der Nähe der toskanischen Stadt Arezzo gehört. Caterina Lo Franco hatte täglich zwei Gläser dieses extrem bitteren und überaus polyphenolhaltigen acqua mora, des dunklen Wassers, getrunken. Es tue ihr einfach gut, hatte sie gemeint. Heute ist dieses Wasser ein wertvoller Rohstoff, der Önologe der Fattoria kümmert sich persönlich um die Flüssigkeit, die beim Pressen von Oliven neben dem Öl und den Feststoffen übrigbleibt. Sie wird hier zu einer Art Nahrungsergänzungsmittel oder einem „Supernahrungsmittel“ – ganz sicher ist man sich noch nicht mit der Bezeichnung – weiterverarbeitet. Das Vegetationswasser der Olive ist im Vergleich zur Olivenfrucht selbst oder zum Öl viel bitterer. Genau diese Bitterkeit weist auf einen extrem hohen Gehalt an Polyphenolen hin. Untersuchungen zeigten, dass das bittere Wasser mehr als das 20-Fache der Polyphenol-Menge von Olivenöl enthält, vor allem des Antioxidans Hydroxytyrosol, das die pathologische Gefäßbildung hemmt.

Anna Burghardt

„Oliphenolia“ ist ein völlig neuartiges patentiertes Projekt, das nicht nur angesichts der Anfälligkeit von Olivenbäumen auf Schädlinge, wie etwa die Olivenfruchtfliege, und der damit verbunden schwankenden Ernte- und Ölproduktionsmengen sinnvoll ist. Diese Anfälligkeit hat man auf der Fattoria La Vialla im Vorjahr – wie überall in Italien – schmerzlich gespürt. Die Nutzung des Olivenwassers könnte einen solchen Verlust in Zukunft zum Teil auffangen. Auf der Fattoria La Vialla presst man die Oliven – wie alles, was angebaut wird, übrigens Demeter-zertifiziert – heuer gemischt: etwa Leccino, Frantoio oder Morellino; sortenreine Öle verkauft man keine. Die Ölausbeute beim Pressen beträgt, je nach Jahr, Wetter, Reife, 15 bis 20 Prozent der Olivenmasse. 60 Prozent sind feste Reste für den Kompost – die restlichen 20 Prozent sind jenes Vegetationswasser, das neuerdings in einem ausgeklügelten Verfahren weiterverarbeitet wird. Statt auf den Kompost wird das trübe Wasser heute in die Weinproduktionshalle gebracht und vom experimentierfreudigen Önologen Marco Cervellera unter seine Fittiche genommen. Man entwickelte das Olivenwasser zu einem Produkt weiter, das nur aus Oliven und Trauben besteht und dennoch hochkonzentriert an Wirkstoffen ist: Drei Gläschen Polyphenolkonzentrat zu je 30 ml enthalten mehr bioaktive Substanzen als ein Kilo Oliven.

Anna Burghardt

Händisch. Die Olivenernte findet, je nach Witterung, jedes Jahr zwischen Mitte Oktober und Anfang Dezember statt. Die Oliven, die auf den Hängen rund um das Haupthaus der Fattoria händisch gepflückt werden, kommen zunächst, von einer gewissen Menge an Olivenblättern ergänzt, in die oxidationsgeschützte Presse mit Granitmahlsteinen. Dort werden sie zu einer Paste verarbeitet – und ein ganz eigener grüner Duft erfüllt die Halle. Diese Paste ist ein Gemisch aus Kernen, Fruchtfleisch, Saft, Öl und Blättern und wird zweimal zentrifugiert: um das Öl von den feuchten Pressrückständen zu trennen und die festen Pressrückstände vom acqua mora. Das Olivenöl wird erst im Jänner auf den Markt kommen, da es nicht gefiltert wird und man daher auf das Absinken der Schwebstoffe angewiesen ist. Im Jänner kann das Öl dekantiert werden – das Wort Dekantieren bedeutet schließlich tatsächlich, den Bodensatz zu entfernen – und wird verkauft.

Marco Cervellera ist als Önologe der Fattoria La Vialla nicht nur für die Weine zuständig, sondern auch für das überaus polyphenolreiche Extrakt Oliphenolia.
Marco Cervellera ist als Önologe der Fattoria La Vialla nicht nur für die Weine zuständig, sondern auch für das überaus polyphenolreiche Extrakt Oliphenolia.Anna Burghardt

Überwacht. Das Olivenwasser indes wurde da schon längst zu einem hochkonzentrierten Elixier weiterverarbeitet und in kleine Gläschen gefüllt – wegen der Oxidationsgefahr unmittelbar nach dem Pressen. Mit einer vom Önologen Marco Cervellera überwachten Osmosemaschine mit keramischen Membranen wird das dunkle Wasser viermal konzentriert. Die Maschine scheidet auf der einen Seite fast reines H2O aus, mit geringem Polyphenolgehalt und ganz leichtem Olivengeschmack. Das Konzentrat, das später zu „Oliphenolia“ wird, wird somit ohne Einsatz von Lösungsmitteln oder Wärme gewonnen. Es wäre nun freilich viel zu bitter, um pur getrunken zu werden. Man experimentierte also mit Gemüsesäften, Obst und Zuckerrohr, bevor man auf die Lösung mit konzentriertem, ungefiltertem Sangiovese-Traubensaft aus eigener Produktion kam. Das gefilterte Olivenwasser wird nun im Verhältnis von 30 zu 70 mit Traubensaftkonzentrat vermischt – und da in Gläschen gefüllt sowie sterilisiert, wo sich sonst Paprika und Paradeiser tummeln: in der Hightech-Saucenküche im ehemaligen Schafstall.

Tipp

Oliphenolia, ein polyphenolreiches „Supernahrungsmittel“ aus Olivenpresswasser, wird in Gläschen zu 30 ml gefüllt und ist als 16-Tage-Paket um 32 Euro erhältlich: www.lavialla.it/de

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