Wenn Kaffee aus der Zapfanlage kommt

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In den USA und Australien wird Cold Brewed Coffee bereits frisch gezapft.

Ein bisschen erinnert es an die Craft-Bier-Bewegung, die aus Amerika kommend auch hierzulande (nicht nur) kleine Brauereien dazu animierte, sich mehr dem Handwerk und der Geschmacksvielfalt zu widmen. Ähnliches tut sich derzeit beim Kaffee. Unter dem Namen Third Wave Coffee lassen sich all jene kleinen Kaffeebars und Röstereien zusammenfassen, die die hohe Kunst des Kaffeemachens und das Produkt an sich in den Mittelpunkt stellen. Nach dem perfekten Espresso – sozusagen der Einsteiger für Kaffeeliebhaber – und dem Filterkaffee ist nun mit kaltem Kaffee, eben Cold Brew, der nächste Trend auch hierzulande angekommen.

Woher genau die Methode des kalt gebrühten Kaffees kommt, können selbst viele Kaffeespezialisten nicht genau sagen. Eine Erklärung lautet, dass bereits die Japaner im 17. Jahrhundert die Vorzüge des kalten Kaffees zu schätzen gewusst haben. Vielleicht ist auch das ein Grund, warum man in Asien Cold Brew schon länger entdeckt hat.


Über Nacht im Kühlschrank. „Zu einem Trend haben es aber sicher die Amerikaner und die Australier gemacht. Beim Kaffee kommen die meisten Trends zuerst aus Australien“, sagt dazu Johanna Wechselberger, Kaffeerösterin und Gründerin der Vienna School of Coffee. Sie selbst experimentiert seit sechs Jahren mit kalt gebrühtem Kaffee. Und hat auch gleich ein Rezept für Cold Brew parat.

Natürlich gibt es auch für Cold Brew – wie generell bei Kaffee – eine Reihe an eigens für den Hausgebrauch kreierten Gerätschaften. Eine einfache Glasflasche mit Bügelverschluss tut es allerdings auch. Wechselberger füllt diese mit einem Liter Wasser und 60 Gramm Kaffee an. Wobei bei Cold Brew generell darauf zu achten ist, hell gerösteten und für Filtermaschinen bestimmten Kaffee zu verwenden. Und: Für den kalten Ansatz sollte der Kaffee lieber grober gemahlen sein (siehe oben). Die Flasche mit der Wasser-Kaffee-Mischung wird verschlossen, einmal kräftig geschüttelt und über Nacht in den Kühlschrank gestellt. „Am nächsten Tag mit einem Sieb abseihen– und man hat einen kräftigen Cold-Brew-Kaffee.“

Dass Cold Brew einen höheren Koffeingehalt hat, liegt übrigens an der langen Stehzeit. „Deshalb ist Espresso der schwächste Kaffee, was den Koffeingehalt betrifft. Er ist nur geschmacklich intensiv.“

Wechselberger hat ihre Vienna School of Coffee übrigens vor zehn Jahren gegründet, mit dem Ziel, der Gastronomie guten Kaffee näherzubringen. „Das hat aber nicht funktioniert. Sie sagen, sie machen das schon seit 30 Jahren so, also warum sollen sie etwas ändern.“ Also hat sie begonnen „das Pferd von hinten aufzuzäumen“, indem sie Kurse für Endkunden, also private Kaffeeliebhaber, anbietet – mit der Hoffnung, dass diese dann auch von ihrem Wirt des Vertrauens guten Kaffee verlangen.

Das Interesse bei den privaten Kaffeeliebhabern steigt zumindest, was auch an der wachsenden Zahl der vielen kleinen, neuen Kaffeebars deutlich wird. Auch so mancher Gastronom hat sich schon dazu überreden lassen, etwas mehr in guten Kaffee zu investieren. Im internationalen Vergleich ist Österreich aber immer noch eines jener Länder, das erst einmal abwartet, wie die neuen Kaffeetrends woanders funktionieren, um diese dann aufzunehmen.

Als den großen Trend sieht Wechselberger derzeit eben die Sache mit dem kalten Kaffee. „In Amerika ist man schon viel weiter und schenkt Cold Brew mit Stickstoff angereichert über Zapfanlagen – wie Bier – aus“, sagt Wechselberger. Auch das ist eine Parallele zum Craft Bier. Wobei Wechselberger lieber wäre, wenn Kaffee einen ähnlichen Weg wie Wein ginge. „Eine Zeit lang wurde bei diversen Wettbewerben versucht, Kaffee mit allem Möglichen zu mischen: Erdbeeren, Pfefferkörnern, Senfkörnern. Das wurde so lang ausgereizt, bis man gesagt hat: „Genug.“

Jetzt gehe es wieder mehr darum, den Kaffee als solchen zu schmecken. Also nicht nur die Sorte, sondern auch die Herkunft. „Es gibt 120 verschiedene Arabica-Pflanzen, die Vielfalt ist enorm“, so Wechselberger.

Cold Brew wird hierzulande in speziellen Kaffeebars frisch ausgeschenkt oder eben in Flaschen abgefüllt – wie das seit Kurzem etwa auch die Grazer Rösterei Hornig macht. Wobei Wechselberger dabei skeptisch ist. „Cold Brew muss frisch sein und innerhalb von zwei Tagen getrunken werden, sonst wird er herb“, sagt sie. Dass kalter Kaffee den klassischen, heiß gebrühten Kaffee ablöst, glaubt sie nicht. „Es ist eine Zusatzgeschichte, wie Eistee.“ Oder eben Craft Bier.

Rezepte

Affogato al Café: Bei dem italienischen Dessert wird ein Espresso über eine Kugel Vanilleeis gegossen. Affogato gilt als Vorläufer des Eiskaffees, bei dem noch Schlagobers dazukommt.

Café Frappé: Bei dem griechischen Getränk wird heißer Mokka (oder Instantkaffee) im Shaker mit Eis (auf Wunsch mit Milch) schaumig geschüttelt und im Glas serviert.

Caffè Shakerato: Der italienische geschüttelte Kaffee ist der Vorläufer des griechischen Frappés. Dabei wird Eis mit einem Espresso und Zucker im Cocktailshaker geschüttelt und in einem Cocktailglas serviert. Dazu passen Vanille, Grappa und Zitrone.

Cold Brew: Ein Liter Wasser und 60g grob gemahlenen Filterkaffee in eine Flasche füllen, schütteln und über Nacht im Kühlschrank stehen lassen. Am Morgen abseihen, auf Eis servieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2016)

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