„Kaffee aus Kaffee trinken“

Aroma. Anfangs riechen die Tassen aus einem Verbundwerkstoff noch nach Kaffee.
Aroma. Anfangs riechen die Tassen aus einem Verbundwerkstoff noch nach Kaffee.(c) Beigestellt
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Julian Lechner verarbeitet Kaffeesatz zu Tassen. Manche Lokale, die daraus servieren, liefern ihm wiederum ihren Bohnenabfall.

Ob Arabica oder Robusta ist in meinem Fall natürlich egal.“ Für Julian Lechner sind schließlich bei Kaffee – zumindest in beruflicher Hinsicht – weniger die aromatischen Eigenschaften interessant als die materialtechnischen. Lechner, der das Label Kaffeeform gegründet hat, sieht Kaffee als Werkstoff; für ihn ist das Pulver das maßgebliche Baumaterial für seine Tassen. „Man kann es mit Holzmehl vergleichen“, meint er zu jener Struktur, die Kaffeesatz hat, wenn er gut getrocknet wurde. Gemeinsam mit Buchenholzmehl und Biopolymeren wird er zu einem sogenannten Verbundwerkstoff verarbeitet und zu guter Letzt zu Tassen gepresst.

„Die ersten  Versuche waren noch Kaffeesatz mit Karamell“, sagt  Julian Lechner.
„Die ersten Versuche waren noch Kaffeesatz mit Karamell“, sagt Julian Lechner. (c) Beigestellt

Begonnen habe das Projekt als Abschlussarbeit seines Produktdesignstudiums an der Universität Bozen, erzählt der Berliner. „Wir haben als Studenten natürlich massenhaft Espresso getrunken.“ Irgendwann seien ihm die enormen Abfallmengen aufgefallen, die die Cafés zu entsorgen hatten: „Die Baristas hatten keine Ideen, was man damit machen könnte. Und in der Masse wurde es dann für mich interessant.“ Es lag für ihn nahe, den Kaffeesatz als Ausgangspunkt für Designtüfteleien zu verwenden. Ein fester Werkstoff auf Kaffeebasis war die Idee, der Weg dorthin sei allerdings ein längerer gewesen, berichtet Lechner von der Experimentierzeit. Man musste etwa das Material zunächst möglichst rasch trocknen, damit es nicht schimmelte. Heute arbeitet er dafür mit einer Werkstatt zusammen, die Menschen mit Behinderung beschäftigt.

Tasse als Symbol. Gemeinsam mit Lehrenden seiner Universität habe er die Tasse als Symbol für den Materialkreislauf festgelegt: Was man daraus trinkt, kehrt über Umwege zu dieser zurück, ein schneller Espresso al banco, an der Theke, wird zum langlebigen Trinkgefäß für denselben. Die ersten Versuche, den Kaffeesatz in einen Feststoff zu verwandeln, hätten ihn unter anderem zum Karamell gebracht, sagt Julian Lechner. „Ein, zwei Tassen lang hat die Masse gehalten, also zumindest lang genug, um auf der Uni vor versammelter Runde die Idee zu präsentieren, Kaffee aus Kaffee zu trinken.“ Über die Monate wurde der Werkstoff weiterentwickelt, bis Lechner jene Mischung fand, die heute das Rezept der Masse bildet.

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Der Kaffeesatz, der aus Berliner Lokalen stammt und aufgrund der räumlichen Dichte ohne Lieferwagen abgeholt werden kann, macht in der Masse vierzig Prozent aus. „Es braucht also sechs Espressi für eine Tasse samt Untertasse“, präzisiert der Designer. Das Material ist halb so schwer wie Porzellan, auch das Geräusch beim Aufsetzen auf den Tisch sei ein leiseres. Jedes Stück hat eine eigene Marmorierung, ist somit ein Unikat. Die Tassen werden in Kaffeesäckchen vakuumverpackt, beim Öffnen entströmt Kaffeegeruch – der auch die ersten Tage danach noch anhält.

Spülmaschinenfest. Zunächst waren die Tassen nur als Espressoversion zu haben, mittlerweile („Die Nachfrage ist groß“, meint Lechner) gibt es sie aber auch für Cappuccino. Der Werkstoff ist spülmaschinenfest und robust genug, um in Cafés bestehen zu können. Dem Designer schweben auch weitere Produkte aus der Kaffeesatzmasse vor: „Möbel sind eine Vision von mir.“ Fünf Lokale seien es bis dato, erzählt Lechner, die ausschließlich mit seinen Tassen arbeiten. „Und es gibt Gäste, die kommen genau wegen meiner Tassen dorthin.“ Der von Julian Lechner angestrebte Kreislauf wird etwa in der Oslo Kaffeebar in Berlin schon umgesetzt: Das Lokal liefert dem Designer seinen Kaffeesatz und schenkt aus den Kaffeeform-Tassen aus. Und womöglich sind da sogar konkret welche dabei, die aus dem hauseigenen Kaffeesatz gemacht wurden – also quasi äthiopische Hochlandtassen sind.

Tipp

Kaffeeform. Die Espresso- und Cappuccinotassen aus Kaffeesatz gibt es einzeln oder im Doppelpack auf www.kaffeeform.com

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