Mehr als 80 Prozent der Jugendlichen kaufen ihre Kleidung bei Modeketten. Chemikalieneinsatz und soziale Ausbeutung werden ausgeblendet.
Jugendliche in Deutschland achten laut einer Greenpeace-Umfrage beim Kleiderkauf auf Design, Preis und Marken, jedoch kaum auf die Herstellungsbedingungen. Dabei seien Chemikalieneinsatz und Ausbeutung von Textilarbeitern bekannt. Dies werde aber beim Kauf ausgeblendet, heißt es in einer am Sonntag veröffentlichten und von der Umweltorganisation in Auftrag gegebenen Umfrage.
Herstellungsbedingungen oder Textilsiegel sind demnach nur für gut zehn Prozent der Jugendlichen wichtig. Nur wenige junge Leute kennen überhaupt bekannte grüne Labels. Grund für den geringen nachhaltigen Kleiderkonsum sind laut Greenpeace Vorurteile: Grüne Mode sei zu teuer, nicht modisch genug und die Auswahl zu gering. Ein weiterer Grund sei, dass Geschäfte und Siegel für ökologisch hergestellte Kleidung nicht bekannt genug seien.
Mehr als 80 Prozent der Jugendlichen kaufen ihre Kleidung laut der Umfrage bei großen Modeketten. Etwas mehr als die Hälfte bestellt sich die Mode online nach Hause. Die Meinungsforscher befragten nach eigenen Angaben vom 13. bis 19. Jänner 500 Leute im Alter von zwölf bis 19 Jahren.
Der Fashion Revolution Day, der Gedenktag anlässlich des Fabrikeinsturzes mit über 1000 Toten von Rana Plaza in Bangladesch am 24. April vor fünf Jahren, erinnert auch an die negativen Auswirkungen von Fast Fashion, die schnelllebige Massenware, die nicht lange getragen und schnell weggeworfen wird. Reuters (Andrew Biraj) Die Produktion unserer Kleidung ist neben den katastrophalen sozialen Umständen beispielsweise auch schuld an zwanzig Prozent der globalen industriellen Wasserverschmutzung, schrieb die NGO. Ein großer Teil der Hosen, T-Shirts oder Kleider verstaube derweil in unseren Schränken. Im Schnitt wird jedes fünfte Stück nie getragen. Reuters Greepeace rät zu Reparatur und Tausch von getragener Kleidung. Im Falle eines Neukaufs wird empfohlen, auf faire und ökologische Produktion zu achten. Gütezeichen wie GOTS und Made in Green wären hier vertrauenswürdig. "Textilsiegel im Greenpeace-Check" hat die Umweltschutzorganisation kürzlich einen Ratgeber herausgebracht, der Orientierung im Gütesiegel-Dickicht bringt. Reuters (Andrew Biraj) Die Katastrophe im Rana Plaza - 1135 Menschen starben, über 2400 wurden teils schwer verletzt - war im Rückblick aber ein Wendepunkt, der die Wahrnehmung vieler Konsumenten veränderte. Reuters (Andrew Biraj) Kurz nach dem Unglück unterschrieben auch mehr als 200 ausländische Unternehmen, die in Bangladesch Kleidung produzieren lassen mit den lokalen Gewerkschaften das rechtsverbindliches Abkommen "Accord" für Brandschutz und Gebäudesicherheit. Reuters (Andrew Biraj) Das hatte unter anderem Inspektionen in mehr als 1800 Fabriken zur Folge. Viele Mängel wurden behoben, manche Standorte geschlossen. Es läuft im Mai aus. Viele der internationalen Markenhersteller haben inzwischen ein Nachfolgeabkommen - das "2018 Accord" - unterschrieben. Reuters Eine Fleecedecke um 2,50 Euro, ein T-Shirt um 3,50 und ein Kleid um 5 Euro - Die irische Kette Primark richtet ihren Fokus auf junge bis jugendliche Kunden und auf kümmerliche Preise. Wirtschaftlich entwickelt sich der Discounter gut, mittlerweile gibt es mehr als 250 Filialen in Europa. Störgeräusche kamen aus vielen Ecken. Reuters Produziert wird zu Niedriglöhnen in China, der Türkei, Indien und Bangladesch. Zu welchen Bedingungen, die größtenteils weibliche Belegschaft, ihren Dienst verrichtet, ist nicht transparent und wird von Menschenrechtsaktivisten vehement kritisiert. Im Juli 2014 kam es zum Eklat. Reuters Eine Primark-Kundin aus Belfast in Nordirland hatte erklärt, in einer Hose sei ein Zettel eingenäht gewesen, versehen mit der in asiatischen Schriftzeichen verfassten Klage einer Arbeitskraft, wie die BBC berichtet. In der Notiz macht der Schreiber geltend, er und seine Kollegen müssten "wie Ochsen" arbeiten. Darüber stehen die Worte "SOS! SOS! SOS!". Screenshot BBC Eine weitere Primark-Kundin soll einen Zettel mit der Aufschrift "degrading sweatshop conditions" ("erniedrigende Bedingungen in eine Knochenmühle") in ihrem Kleid gefunden haben. Screenshot ITV Ein paar Tage zuvor soll im walisischen Swansea ein eingenähter Zettel in einem Kleid aufgetaucht sein, der die Aufschrift trug: "...forced to work exhausting hours" (etwa: ...zur Arbeit bis zur Erschöpfung gezwungen..."). Screenshot Daily Mail Die Produkte, in denen die vermeintlichen Hilferufe gefunden wurden, sollen laut dem Hersteller jedenfalls zuletzt 2009 in Nordirland vertrieben worden sein. Der zeitliche Abstand zur Veröffentlichung, ist unklar. Reuters Primark ist seit einigen Jahren ein Symbol des skrupellosen Konsums der reichen Welt. Die Masse macht den Umsatz, über 6000 Euro erlöst Primark jährlich pro Quadratmeter Verkaufsfläche. Reuters Der Discounter war bereits in die Schlagzeilen, als bekannt wurde, dass das Unternehmen Kleidung in der Fabrik in Bangladesch hatte fertigen lassen, deren Gebäude im April 2013 eingestürzt war und mehr als 1100 Billigarbeiter unter sich begraben hatte. Reuters Extrem schlechte Arbeitsbedingungen sind in asiatischen Ländern in der Textilindustrie nach wie vor an der Tagesordnung. Tommy Hilfiger soll noch immer in einer Fabrik in Bangladesch produzieren, in der 2011 rund 29 Arbeiter durch einen Brand ums Leben kamen. Reuters Auch die Modekette Zara kämpft gegen ein ähnliches PR-Problem. Sie musste sich schon gegen den Vorwurf wehren, im Bundesstaat Sao Paulo Arbeitnehmer unter Bedingungen zu beschäftigen, die an Sklaverei grenzen. Reuters Die Staatsanwaltschaft habe ihre Ermittlungen im Mai 2011 aufgenommen und in Americana, 130 Kilometer südlich von Sao Paulo, 52 Bolivianer entdeckt, die schwarz und unter gesundheitsschädlichen Bedingungen für Zara gearbeitet hätten. Reuters 2007 brachte der "Stern" ans Licht, dass Esprit-Produkte von Kindern in Neu Delhi unter unmenschlichen Bedingungen hergestellt worden waren. Sie seien größtenteils von ihren Eltern um nicht mehr als zehn Euro in die Sklavenarbeit verkauft worden. Der Bericht schlug Wellen, Esprit beteuerte jegliche Zusammenarbeit mit dem Auftragnehmer zu beenden. Symbolbild: Muhamed ist ein syrischer Flüchtling, der in einer Textilfabrik in Istanbul arbeitet. Reuters Doch nicht nur weit weg von den Modemetropolen wird auf die Arbeitszeit und Sicherheit nicht so viel Wert gelegt. Arbeiter des New Yorker Studios von Alexander Wang machten Arbeitsrechtsverstöße publik. Reuters 30 Arbeiter verklagten den Designer, weil sie 16 Stunden am Tag in einem kleinen, unbelüfteten Raum arbeiten mussten und dafür noch nicht einmal Überstunden bezahlt bekamen. Reuters Das zweite große Problemfeld der Bekleidungsindustrie ist ihre Auswirkung auf die Umwelt. Egal ob T-Shirt, Jeans oder Sneakers auch hier gilt: Nicht alles was teuer ist, muss gut und gesund sein. Bilderbox Nach einer Untersuchung von Greenpeace (2015) sind die Trendsetter der sauberen Textilproduktion Fast-Fashion-Ketten wie H&M und Zara, Sportartikelhersteller Puma und Adidas sowie zwölf weitere Modefirmen. Auf Druck der Detox-Kampagne von Greenpeace haben diese globalen Textilkonzerne einige besonders schädliche Chemikalien aus der Produktion verbannt. Nike und der chinesische Sportartikelriese LiNing dagegen setzen weiterhin umwelt- und gesundheitsgefährdende Schadstoffe in der Produktion ein. ROBERT GALBRAITH Die Detox-Schlusslichter sind GAP und Luxusfirmen wie Versace, Louis Vuitton oder Hermès. Zwar stellen gefährliche Schadstoffe wie Alkylphenolethoxylate, Weichmacher oder per- und polyfluorierte Chemikalien (PFC) für den Träger kein Gesundheitsrisiko dar, wohl aber für die Menschen und das Abwasser in den Produktionsländern. OLIVER WEIKEN Denn NPE wird zu giftigem Nonylphenol (NP) abgebaut, das über das Abwasser in Flüsse und Seen gelangt, sich dort anreichert und so in die Nahrungskette gelangt. Die Substanz ist hormonell wirksam und schon in geringer Konzentration schädlich. Reuters Um Jeans einen modisch abgenutzten Look zu verleihen, wenden Bekleidungsunternehmen entweder aggressive Bleichmittel oder die Sandstrahltechnik an. Fast die Hälfte der Arbeiter erkranken im Laufe ihres Arbeitslebens an der nicht heilbaren Silikose ("Staublunge"). Gisela Burkhardt/Kampagne für Saubere Kleidung Seit 2009 ist das Verfahren verboten, doch in Ländern wie Bangladesh, Ägypten, China oder Pakistan werden immer noch auf diese Weise Jeans behandelt. Unnötig zu sagen, dass die Menschen dort meist auf die gefährliche Arbeit angewiesen sind und ein Verbot schwer durchsetzbar ist. Altemeier & Hornung Mehr als 20 Markenfirmen wie C&A, Mango, H&M, Levi Strauss, Burberry und Vero Moda hätten sich mittlerweile der Clean Clothes Kampagne angeschlossen und würden auf die umstrittene Methode verzichten. Armani, Dolce Gabbana, Roberto Cavalli und Versace hüllen sich in Schweigen, ebenso die Billigkette Orsay. Altemeier & Hornung H&M, C&A und Tchibo hatten ein anderes Problem, zwei Jahre lang brachten sie Biokleider unters Volk - die offenbar mit gentechnisch veränderter Baumwolle hergestellt wurden. Den Betrug hätten indische Behörden bereits im April 2009 aufgedeckt. Die "Finacial Times Deutschland" zog ein Jahr später nach. Aus Indien kommt rund die Hälfte der gesamten Biobaumwolle. AP Tragbar, aber unerträglich? (APA/dpa)
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