Die peinlichen Spuren der Vergangenheit

Das Netz „erinnert“ sich auch Jahre später an längst vergessene Jugendsünden.

Was die Theatergruppe der 5A-Klasse des Gymnasiums Traun am 10. April vor Publikum aufführte, sollte ein Querschnitt durch das Lebenswerk der britischen Dramatikerin Sarah Kane werden. Tatsächlich machte einer der Anwesenden einen kleinen Skandal daraus, filmte die Aufführung heimlich mit und veröffentlichte das Video kreativ geschnitten auf gloria.tv, eine Art YouTube für Sittenwächter. Slogan der Site: „The more catholic the better.“

Während sich unzählige anonyme Poster über „schmuddeliges Sex-Schultheater“ mokieren, sind Schüler und Lehrer entsetzt, fühlen sich diffamiert und in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt, schließlich seien die Szenen völlig aus ihrem Zusammenhang gerissen.

Das Internet vergisst nie

Was die Schüler erleben, ist ein Problem, das derzeit noch mehr Menschen betrifft. Das Internet vergisst nie. Niemand kann sicher sein, dass die zweifelhafte Darstellung einer Person nicht Jahre später von einem Headhunter via Google entdeckt und so zum Jobkiller wird. Aus Medien sind Fälle bekannt, in denen harmlose Jugendsünden ganze Karrieren zerstörten.

Viktor Mayer-Schönberger, Professor für Public Policy an der US-Eliteuni Harvard, fordert deshalb ein Ablaufdatum für im Web publizierte Inhalte. „Bis vor wenigen Jahren wurden nur relevante Informationen gespeichert oder gedruckt. Wegen der niedrigen Speicherpreise wird nun alles aufbewahrt und im Internet veröffentlicht. Das Problem ist, dass sich kaum jemand darüber bewusst ist, welchen Schaden beispielsweise alte Jugendfotos einmal anrichten können“, sagt er im „Presse“-Gespräch. Sein Vorschlag stößt bereits auf Resonanz. Während Google noch mauert, will Konkurrent Microsoft künftig all jene Informationen aus dem Index seiner Suchmaschine MSN löschen, die älter als 18 Monate sind.

Wer bereits in die Datenfalle getappt ist, dem bieten inzwischen Unternehmer ihre Hilfe bei der Entfernung peinlicher Web-Inhalte an. Carsten Hoppe betreibt mit der Firma „Datenwachschutz“ das erste entsprechende Angebot in Mitteleuropa. „Der Start verlief eher schleppend“, sagt er, aber inzwischen habe die Nachfrage nach seinen Löschdiensten (Kosten: 39,95 Euro für die Grundrecherche, pro gelöschten Domain-Eintrag werden weitere 19,90 Euro fällig) deutlich angezogen. Von Jänner bis März habe er 200 neue Kunden an Land gezogen. „Das sind mehr, als im gesamten Vorjahr.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2008)

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