Joan Rivers öffnete furchtlosen Komödiantinnen wie Sarah Silverman oder Tina Fey die Tür.
Washington. Den meisten Zeitgenossen ist Joan Rivers nur als groteskes Geschöpf der plastischen Chirurgie erinnerlich, das in zuckerlrosa Kostüme gehüllt bösartige Kommentare über die Bekleidungsvorlieben der Hollywoodgesellschaft abfeuerte. Dabei war Joan Alexandra Molinsky, die am 8. Juni 1933 in Brooklyn als Tochter russisch-jüdischer Einwanderer zu Welt kam und ihren Namen später auf Rivers änderte, weil man damit auf den Bühnen verruchter Nachtklubs leichter besteht, einmal die außergewöhnlichste Komödiantin Amerikas, die mit messerscharfer Zunge amerikanische Scheinheiligkeiten zerdrosch. Man suche zum Beispiel auf YouTube ihre Auftritte in „Saturday Night Live“ heraus: „Ich war als Kind so hässlich, dass meine Mutter mir riet: ,Nimm Zuckerln von Fremden an.‘ Als ich geboren wurde, sagte der Doktor: ,Sie ist noch nicht fertig‘, und schob mich wieder rein.“
Solche Witze waren damals unerhört, und gewissermaßen sind sie es heute wieder. Rivers hatte für die puritanische Moral von damals ebenso wenig übrig wie für die neue Gefühligkeit. „Wir durften damals nicht ,Abtreibung‘ auf der Bühne sagen“, erzählte sie über ihre ersten Gastauftritte in der „Tonight Show“ in den 1960er-Jahren. „Also sprach ich von ,Blinddarmoperationen‘. Unglaublich, all diese Frauen, die mehrfache Blinddarmoperationen in Mexiko hatten!“ Dass es heute Komödiantinnen wie Sarah Silverman oder Tina Fey gibt, die sich kein Blatt vor den Mund nehmen müssen, ist Rivers zu verdanken.
Rivers wusste mit persönlicher Tragik umzugehen; als ihre Late-Night-Talkshow auf Fox 1986 nach wenigen Monaten mangels Erfolgs eingestellt wurde, erlitt ihr Ehemann und Koproduzent einen Herzinfarkt, verfiel in Depressionen und brachte sich um. Rivers zog sich aus der Trauer und dem beruflichen Niemandsland heraus, erfand sich als schrille Spötterin über Hollywood neu. Am Donnerstag ist sie nach Komplikationen bei einer ambulanten Operation an den Stimmbändern in New York gestorben. Für ihr Begräbnis wünschte sie sich eine große Party – und eine Windmaschine, „damit mein Haar auch im Sarg so prachtvoll flattert wie das von Beyoncé.“ (go) [ APA ]
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2014)