Eine „Karriere“ in der Volksoper: Vom Fensterputzer zum Chef

Matthias Davids kurz vor der Premiere des Stücks in der Volksoper.
Matthias Davids kurz vor der Premiere des Stücks in der Volksoper.(c) Stanislav Jenis
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Matthias Davids inszeniert ein „Karriere“-Musical, in dem die weibliche Hauptrolle das Essen für ihren Mann warm hält. Geht das heutzutage noch?

Matthias Davids ist einer dieser modernen Nomaden. Er lebt in Deutschland und Linz, inszenierte da wie dort Musicals und pendelte auch arbeitsbedingt regelmäßig nach Wien, wo er 2013 etwa „Sweeney Todd“ für die Volksoper inszenierte, davor „Anatevka“. Fünf Wochen haben er und die rund 100 Schauspieler/Tänzer/Sänger das Musical „Wie man Karriere macht, ohne sich anzustrengen“ für die Volksoper nun geprobt.

„Der Druck in den Theatern ist natürlich groß, und Proben kosten auch Geld“, erzählt Davids in der Volksopern-Kantine auf die Frage, ob die Probenzeiten generell in der Branche immer kürzer werden. Dabei müssen die Schauspieler nicht nur ihre Rollen können, sondern auch die Umbauarbeiten auf der Bühne beherrschen, die natürlich auch ins Spiel integriert werden.

Alles in allem viel zu tun, in wenig Zeit. Was im großen Widerspruch zum Stück steht, wo Hauptfigur Ponty Finch vorzeigt, wie man es eben ohne Anstrengung mit „sozialer Intelligenz“ (manche würden ja sagen „viele Intrigen“) vom Fensterputzer bis in die Chefetage eines weltweiten Konzerns schafft. Vorbei am Neffen des Firmenchefs, den Abteilungen, die das Ende für die eigene Karriereleiter bedeuten (Postverteilung), und dem Schleudersessel des Marketingchefs. Das Stück wurde in den 1960ern am Broadway uraufgeführt, bekam sieben Tony Awards und einen Pulitzer-Preis – und zählt doch zu den selten gespielten Klassikern im Musical-Genre.

Ein Grund dafür, dass sich Davids für die Inszenierung des Stückes entschieden hat. Und weil es „,ohne mit dem Zeigefinger zu arbeiten, Mechanismen aufzeigt, die es heute noch gibt“, erzählt er. Mitarbeiter, die sich wie Fähnchen im Wind drehen, Eitelkeit, Selbstsucht, alles Dinge, die Finch geschickt ausspielt und die dazu beitragen, dass er seinen Weg nach oben findet. „Wenn der Firmenchef sagt: ,Ich feuere den Marketingchef, denn der kommt immer mit neuen Ideen, aber macht nie das, was ich will‘, dann finde ich das heute noch total gültig.“

Bleibt trotzdem die Frage, ob so ein Stück noch zeitgemäß ist, wenn der größte Moment der weiblichen Hauptrolle jener ist zu singen, dass sie zu Hause auf den Mann wartet und ihm das Essen warm hält, während er Karriere macht. Davids lacht. Er habe sich ja selbst gefragt, ob die Beziehung zwischen den beiden Hauptfiguren halten könnte. „Also, ich glaube ja nicht“, sagt er. Auch seien die Frauen im Stück letztlich klüger als die Männer. „Und wenn man sich das Thema Gleichberechtigung ansieht, dann sind wir noch immer nicht da, wo wir denken, dass wir sind.“ Noch immer seien Frauen in Führungspositionen eine Seltenheit. Männliche Assistenten, die Frauen zuarbeiten, gebe es auch heute kaum. Natürlich sei die Rolle der Rosemary speziell. Aber man müsse sie (so wie die Rolle von Finch und dem strickenden Firmenchef) „ironisch betrachten“. Die Rolle sei so überzeichnet, „dass man sieht, dass das nicht der große Traum ist“.

Kein „Starlight Express“

Also doch kein modernes Märchen, im Sinne von Happy End, so wie es gern in Musicals gezeigt wird.

Aber ein Fan von Musical-Kassenschlagern ist Davids ohnehin nicht. Seit Dezember 2012 ist er Künstlerischer Leiter der Sparte Musical am Landestheater Linz. Und hat sich zum Ziel gesetzt, Musicals abseits des Mainstreams zu spielen. Also keine „Evita“, kein „Kiss me, Kate“, und „sicher auch kein ,Starlight Express‘“. „Sonntag im Park mit George“ würde ihn interessieren, ein Musical inspiriert von einem Gemälde Georges Seurats.

ZUM STÜCK

„Wie man Karriere macht, ohne sich anzustrengen“. Das Musical von Frank Loesser wurde in den 1960ern uraufgeführt und erhielt unter anderem sieben Tony Awards. Am Samstag feierte das Stück Premiere in der Wiener Volksoper. Regisseur ist Matthias Davids. Mit Mathias Schlung als Finch, Lisa Antoni als Rosemary und Volksopern-Direktor Robert Meyer als Firmenboss.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2017)

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