Geheimdienstangeber

Geheimdienstangeber oder: Warum das Morden mit VX und Polonium die Aufklärung erleichtert.

Nach dem Opernball ist vor der Oscar-Verleihung. Das Bindeglied zwischen beiden Veranstaltungen ist natürlich Goldie Hawn. Der diesjährige Ballgast von Richard Lugner wurde 1969 als beste Nebendarstellerin im Film „Cactus Flower“ mit einem Academy Award ausgezeichnet. Als Bild des heurigen Opernballs wird (neben einer vom Ableben von Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser tief betroffenen Staatsspitze) die neben dem Baumeister in der Loge gähnende Goldie Hawn übrig bleiben. Allen, die sich darüber lustig machen, muss aber zu Hawns Ehrenrettung gesagt werden: Natürlich wird auf Bällen nicht nur viel getanzt, viel getrunken und viel geredet, sondern auch wahnsinnig viel gegähnt. Es ist spät, die Luft ist schlecht, man hat zuviel getrunken – was also sonst?

Alles anders als zum Gähnen ist der nordkoreanische-malaysische Kriminalfall um die vermutliche Ermordung des Halbbruders des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un. Der wurde nämlich mit einem chemischen Kampfstoff mit dem klingenden Namen VX um die Ecke gebracht. Die Abkürzung klingt zwar arg nach neuer „Avengers“-Verfilmung, ist aber angesichts des vollen Namens O-Ethyl-S-2-diisopropylaminoethylmethylphosphonothiolat wohl doch um einiges praktikabler.

Wer sich noch an die Ermordung des russischen Spions Alexander Litwinenko in London 2006 erinnert, muss den Eindruck bekommen, dass in den Geheimdiensten doch eine ganze Menge Angeber arbeiten. Litwinenko war damals mit dem stark radioaktiven Metall Polonium vergiftet worden, das ihm vermutlich in Tee verabreicht worden war, und starb danach an der Verstrahlung.

Um das noch zu toppen, griff der nordkoreanische Geheimdienst nun zum chemischen Kampfstoff VX. Was angesichts der Tatsache, dass das nordkoreanische Regime nun jeden Zusammenhang mit der Tat entschieden leugnet, nicht besonders gescheit war. Es gibt ja eine Menge Möglichkeiten, einen Menschen zu töten und eine Menge von Menschen, die für eine solche Tat in Frage kommen. Wählt man aber so Abgefahrenes wie VX oder Polonium als Mordwaffe, ist es einigermaßen naheliegend auf Schon-Regierungsorganisationen als Täter zu tippen.

Für die Verfilmung des Falls gibts jedenfalls sicher irgendwann einen Oscar.

florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2017)

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