Stadtbild

Das letzte Wiener Rätsel, das mir vorderhand noch bleibt

Intelligent entsorgte Steine: Obere Jungenberggasse.
Intelligent entsorgte Steine: Obere Jungenberggasse. (c) Presse Print
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Was es mit dem mysteriösen Pflaster am Bisamberg auf sich hat – und was noch immer mysteriös ist.

Die Wirklichkeit ist ja immer banal. Unser häufiges Empfinden, wir stünden vor einem Mysterium, nährt sich maßgeblich aus dem Mangel an Einsicht, wie simpel unsere Welt im Grunde funktioniert – und der Überzeugung, alle anderen könnten doch unmöglich so schlicht gestrickt sein wie wir selbst. So fabulieren wir uns ein Weltbild zusammen voller verquicktester Verquickungen, in dem nichts ist, wie es scheint, und alles scheint, wie nichts ist: bis ins Kleinste kalkuliert und komponiert. Ein kolossal-absurdes Konstrukt, in dem alles einen Grund hat und nichts dem Zufall überlassen bleibt – und das umso weniger mit der Realität zu tun hat, je genauer wir sie erfasst zu haben glauben.

Langer Vorrede kurzer Kolumnensinn: Das Bisamberger Pflasterrätsel von vergangenem Mittwoch hat sich dank der Aufmerksamkeit mehrerer Leser enträtselt, und zwar, wie kaum anders zu erwarten, auf enttäuschend triviale Weise. Die mysteriösen Fünfseitprismen, die das untere Ende der Oberen Jungenberggasse im äußersten 21. Gemeindebezirk befestigen, wurden von Kennern umstandslos als ordinäre Randsteine für jene Art der Pflasterverlegung agnosziert, bei der Granitwürfel diagonal zur Straßenrichtung aneinandergereiht werden. Und ihre massierte Benutzung ausgerechnet an jenem Ort wiederum sei wohl eher beiläufig denn zweck- oder gar kunstbeflissen erfolgt: Mutmaßlich seien sie, anderwärts übrig geblieben, einfach aufgebraucht worden. Will sagen: intelligent entsorgt.

So weit, so wenig geheimnisvoll. Und wenn mir jetzt noch jemand schlüssig erklärt, was eine gstandene Stadtpolitikerin dazu bewegen mag, sich in eine Lage zu manövrieren, in der sie selbst, ihre Partei und vor allem der ihr anvertraute Gegenstand, Wiens Stadtplanung, nur Schaden nehmen kann, dann hat die Welt für mich – vorderhand – überhaupt kein Rätsel mehr.

E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2017)

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