Warum der Schinkenspeck in die Pasta kam

Jora Mountain Dining in Innichen
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Südtirol II. Was wäre das alpin-mediterrane Land südlich des Brenners ohne seine italienischen Gäste und ihren Gusto? Kulinarisch unterentwickelt.

Innichen. Ich lebe nur ein paar Kilometer vom ehemaligen Habsburger-Reich entfernt, dem meine Heimat bis knapp vor hundert Jahren angehört hat“, sagt Markus Holzer, Küchenchef des Jora Mountain Dining in Innichen im Hochpustertal. „Doch seit wir zu Italien gehören, herrschen bei uns in manchen Lebensbereichen ganz unterschiedliche Ansichten darüber, was State of the Art ist. Zum Beispiel, wie und wann man Nudeln isst.“ Für Italiener sei Pasta prinzipiell eine Vorspeise. „Nudeln als Sättigungsbeilage zu einer Fleisch- oder Fischhauptspeise“, schreibt der passionierte Koch in seinem Buch „Pasta on the Rocks“, „das geht gar nicht.“

Südtirols Gastronomie hat sich, naheliegend, dem italienischen Geschmack angepasst. Zu Holzers kulinarischen Kreationen und Zugeständnissen an den Gusto italiano gehören zum Beispiel Buchweizen-Tagliolini mit Hirschcarpaccio und Zuckerschoten oder Rucola-Bandnudeln mit Tomatenpesto und Kichererbsen, Kartoffelteigtaschen mit Radicchiofülle und Pistazienbutter oder Rote-Rüben-Strigoli mit gebeizter Forelle und Zucchiniblüte. Tirolerischer sind schon Schwarzbrotnudeln mit Speck, Lauch und Graukäse oder Orecchiette mit Kürbis, Speck und Räuchertopfen. Ja, der Speck. Der bleibt ein wichtiger Bestandteil der Küche.

„Ich war untalentiert“

Das Restaurant liegt in bilderbuchartiger Lage oberhalb von Innichen am Fuß des knapp 3000 Meter hohen Haunolds – im Sommer inmitten saftig grüner Wiesen, im Winter direkt auf den Skipisten der Sextner Dolomiten. Eröffnet wurde es vor knapp 13 Jahren als Jora-Hütte von Toni und Rosemarie Holzer, den Eltern des Jungkochs. In die Wiege gelegt wurde Markus Holzer das Kochtalent allerdings nicht. „Ich war untalentiert und ließ alles anbrennen, was man anbrennen lassen konnte“, sagt er.

Mit seiner Kochausbildung begann er erst nach dem Abitur. „Was noch gegen mein Talent sprach, war das Resultat meiner Gesellenprüfung. Ich fühlte mich als 20-Jähriger unter lauter 15-Jährigen superschlau, auch deshalb, weil ich mit meinem Abschluss in der zweiten Klasse einsteigen durfte. Dann ließ ich auch die dritte Klasse aus und trat direkt zur Prüfung an. Was folgte, können Sie sich denken: Ich fiel durch.“ Ein Jahr später schaffte er dann die Prüfung. Nach Lehrjahren in Florenz, München und diversen Restaurants in Südtirol stieg Markus Holzer vor fünf Jahren in den elterlichen Betrieb ein und ist seither Küchenchef. Für die Gerichte verwendet er ausschließlich regionale Produkte und heimische Wildkräuter. „Wenn man nachhaltig arbeiten will, kommt man um das Regionale nicht herum“, erklärt er. „Ich verwende Produkte, die ich von der Ernte ab begleite, ich kenne jeden Bauern persönlich, von dem ich Fleisch, Käse oder Speck beziehe.“

Im Restaurant der urigen Jora-Hütte finden bis zu 60 Personen an zehn Tischen Platz. Auf der Sonnenterrasse sind es noch einmal so viele. Zweimal wöchentlich finden Themenabende statt – donnerstags ein Pastaabend mit einem sechsgängigen Pastamenü und Dessertbuffet und samstags der „Mountain Dining“-Gourmetabend. Dann stehen Gerichte wie Minze-Maccheroni mit Golden-Gel-Käse und Speck, Gnocchi mit Garnelen, Zucchini und Kresse, Dinkel-Schlutzkrapfen mit Brennnesselfüllung und Holunderblüten, Lasagne mit Bratwurst-Scheibchen und Rucola, Rohnentagliolini mit Pesto und Burrata sowie Schwarzbrotravioli mit Selchfleisch und Sommertrüffel zur Auswahl. Auf Anfrage bereitet Markus Holzer auch gern ein veganes oder vegetarisches Pastamenü zu.

Bei Bedarf Italiener

Man muss aber nicht unbedingt ins Hochpustertal reisen, um in den Genuss der ungewöhnlichen Pastakreationen zu kommen. Im letzten Jahr brachte Markus Holzer sein Buch „Pasta on the Rocks – Geheimnisse des Mountain Dining“ mit 75 Rezepten heraus. Das Buch ist alles andere als ein herkömmliches Kochbuch. „Ich hatte nicht den Anspruch, ein klassisches Kochbuch zu schreiben. Das war mir zu langweilig. Mir schwebte von Beginn an vor, das Buch eher wie einen Kochkurs zu gestalten. Dort erzähle ich von meinen beruflichen Erlebnissen, wer mir was beigebracht hat, und so ganz nebenbei werden auch ein paar Gerichte gekocht“, sagt Holzer.

Zwischen den Rezepten lüftet er unterhaltsam die Geheimnisse der Pastazubereitung und schreibt humorvoll über seinen nicht ganz gewöhnlichen Werdegang als Koch und die Eigenheiten seiner Landsleute. „Eine recht interessante Eigenschaft der Südtiroler ist ihr Opportunismus“, sagt er lachend. „Einerseits wird gegen Italien gewettert, bei Bedarf sind wir aber dann doch Italiener. Wir könnten auch zu den Österreichern rennen, damit diese doch bitte, bitte von ihrer Schutzmachtfunktion Gebrauch machen. Bei einer Fußball-WM halten dann aber wieder alle zu Italien.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2015)

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