„Offenheit gehört zum Programm“

Projekt ´Neues Lebensgeühl - Seestadt Aspern´
Projekt ´Neues Lebensgeühl - Seestadt Aspern´(c) wvg Bautäger GmbH (Bernhard J. Holzner)
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Unterwegs mit dem Architekten Clemens Kirsch, der am Beispiel zweier Wohnprojekte den städtebaulichen Ansatz in der Seestadt Aspern erläutert.

„Das könnte durchaus etwas werden“, ist der erste Gedanke, wenn man, von der U-Bahn-Station kommend, durch die ersten, weitgehend entwickelten Viertel der Seestadt Aspern am südwestlichen Rand des insgesamt 240 Hektar großen Areals flaniert. Keine öde aneinandergereihten Wohnblocks, sondern eine erstaunliche architektonische Vielfalt an Gebäuden, umsäumt von großzügigen Freiflächen, die dem Ganzen den Eindruck organisch gewachsener, urbaner Grätzl verleihen. „Kennzeichnend für die Seestadt sind – neben einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Mobilität – die grünen Freiflächen und gemeinschaftlich genutzten Gartenanlagen. Hinzu kommt die Durchmischung der Nutzungen, die auch ein aktives Management der Sockelzonen durch die Entwicklungsgesellschaft vorsieht“, erläutert der Architekt Clemens Kirsch vom gleichnamigen Architekturbüro.

Revival des Ziegels

Der Umsetzungsprozess dieses Konzepts lässt sich hautnah am äußeren Rand des Planungsgebiets an der Gisela-Legath-Gasse beobachten. Dort, auf dem 5200 m2 großen Baufeld D22, entstehen im Rahmen eines Ensembles aus drei unterschiedlich ausgestalteten Gebäuden insgesamt 75 geförderte Mietwohnungen, ein Wohnheim für behinderte Kinder und Jugendliche mit insgesamt 24 Heimplätzen sowie Geschäftsflächen.

Das Projekt, das nun Dachgleiche gefeiert hat, ist die derzeit größte Ziegelbaustelle Österreichs, „und ein Beispiel dafür, dass auch der geförderte Wohnbau hochwertige, nachhaltige Materialien nicht ausschließen muss“, erläutert Kirsch. „Da für den Außenwandbau die neueste Ziegelgeneration von Wienerberger mit dem integrierten Dämmstoff Mineralwolle zum Einsatz kommt, kann auf eine zusätzliche Wärmedämmschicht verzichtet werden“, so der für die Planung verantwortliche Architekt. Die etwas höheren Materialkosten könnten durch die Einsparung von Arbeitsstunden kompensiert werden.

Bei den Öffnungen der Aufenthaltsräume der Bewohner hat sich der Planer für bodentiefe französische Fenster entschieden, „was den Außenraumbezug von innen und die Außenwirkung nach innen verstärkt.“ Speziell in jenem Wohngebäude, das von der Baugruppe Que[e]rbau besiedelt wird, setzt sich diese Offenheit auch in der Innenraumplanung fort. Gemäß den Wünschen der bei der Planung mitspracheberechtigten Akteure gibt es mehrere Gemeinschaftsräume die als Treffpunkte für Yogagruppen, zum Kaffeeplausch oder Ähnliches genutzt werden können.Ein weiterer Bauteil wird teilweise durch offene Laubengänge erschlossen, die einzelne Wohnungen auf zwei Geschoßen verbinden. „Solche spielerischen, kommunikationsfördernden Zugänge waren uns sehr wichtig“, so Kirsch.

Bereits fertiggestellt und Ende September übergeben wurden die benachbarten, ebenfalls auf drei Baukörper verteilten 50 Wohnungen in der Gisela-Legath-Gasse 2. Es handelt sich um die ersten frei finanzierten Eigentumswohnungen der Seestadt, die schon vor ihrer Fertigstellung alle verkauft waren. Auch hier suchten der Bauherr, die Niederösterreichische Versicherung AG, und das Planungsbüro Kirsch, eine Balance zwischen Qualitätsanspruch und Leistbarkeit zu schaffen.

Besonders stolz ist Kirsch auf das Treppenhaus im großen Gebäude, das sich galerieartig über fünf Geschoße emporschraubt, wobei eine Stiege jeweils sechs Wohnungen erschließt. An der Decke sind mehrere kreisrunde Milchfenster eingelassen, deren Licht die blauen, ornamentverzierten Zementfliesen zur Geltung bringt, die von einem Hersteller in Spanien bezogen wurden. „Sie waren zwar etwas teurer“, meint Kirsch, „ihr Design verleiht der Anlage dafür aber eine unverwechselbare mediterrane Atmosphäre.“

Die Freiflächen rund um die neue Wohnanlage sind bewusst offen und durchgängig gestaltet. Das liegt am städtebaulichen Ansatz, der eine enge Verbindung mit den benachbarten Baufeldern D11 und D23 vorsieht. „In ein paar Jahren können wir dann durch ein kleines, lebendiges Grätzl spazieren“, gibt sich der Architekt zuversichtlich.

ZUM PROJEKT

Am südwestlichen Rand der Seestadt Aspern ist ein baufeldübergreifendes Grätzel im Entstehen. Eine Wohnanlage mit 50 frei finanzierten Eigentumswohnungen in der Gisela-Legath-Straße ist bereits fertiggestellt, in unmittelbarer Nachbarschaft sind 75 Mietwohnungen, Geschäftsflächen und ein Wohnheim für behinderte Kinder und Jugendliche im Werden. Durchgängige Freiflächen sollen das Ensemble mit einem weiteren Bauplatz verbinden. Die Planungen erfolgten durch das Architekturbüro kirsch zt.

(Print-Ausgabe, 22.10.2016)

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