Europa ruft kleinlaut um Hilfe

Es ist ein teuer erkaufter Deal: „Flüchtlinge gegen Visafreiheit“ lautet die Losung, die die EU der Türkei anbietet.

Auch die Beitrittsverhandlungen sollen im Dezember wieder aufgenommen werden – und das mit einem Land, in dem Pressefreiheit nichts wert ist und Menschenrechte mit den Füßen getreten werden. Das Argument, mit der Eröffnung heikler Verhandlungskapitel könne Druck auf Ankara ausgeübt werden, ist in der momentanen Situation wenig glaubwürdig. Schon bisher hat sich die innerlich völlig zerstrittene EU als der schwächere Verhandlungspartner präsentiert; ein kritischer Fortschrittsbericht der EU-Kommission wurde gar bis nach den türkischen Parlamentswahlen zurückgehalten.

Die EU braucht das Wohlwollen Ankaras auch deshalb so sehr, weil die Mitgliedstaaten in der Flüchtlingskrise ein jämmerliches Bild der Uneinigkeit abgeben. Von einem fixen und gerechten Schlüssel zur Lastenverteilung, der wohl erheblich zur Problemlösung beitragen würde, ist man meilenweit entfernt; auch die Kontrolle der EU-Außengrenze funktioniert nicht. Nun muss das überforderte Europa kleinlaut die Türkei um Hilfe rufen und stellt dafür das eigene Wertesystem hintan.

E-Mails an:anna.gabriel@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2015)

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