Verschwindet mit der Krise auch der Kanzler? Wohl kaum

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Im Herbst könnte uns das Duo Werner Faymann und Michael Spindelegger abhandenkommen, meinen viele Beobachter. Aber was passiert, wenn nicht?

Zwei Kriege mit geopolitischem Risiko für Europa erinnern daran, wie irrelevant österreichische Innenpolitik ist. Oder anders: Diese Kriege zeigen uns deutlich, wie kleinlich, wie absurd, wie traurig diese politische Lähmung und gegenseitige Blockade in Österreich sind. Nicht einmal überzeugte Anhänger von SPÖ und ÖVP glauben dieser Tage daran, dass diese Regierung halten kann. Zumindest nicht in dieser Konstellation. Kein Tag vergeht, keine Debatte verstreicht, ohne dass sich SPÖ- und ÖVP-Minister bzw. deren Sekretäre gegenseitig angreifen, sich legen oder zumindest einander ausrichten. Wobei letztere Beschäftigung auch zwischen Ministern derselben Couleur beliebt ist. Und immer wieder wird ein Szenario angesprochen: Werner Faymann und Michael Spindelegger könnten in diesem Herbst abtreten, neuen Köpfen Platz machen und so den Weg für einen Neuanfang und ein Ende der Blockade freigeben müssen.

Allein, die beiden Herren denken nicht daran.

Denn wie so oft unterscheiden sich Fremd- und Selbstbild. Beide geben naturgemäß nicht sich die Schuld an der österreichischen Malaise, sondern allen anderen und vor allem dem Schicksal. Denn beide sehen sich als unfreiwillige, aber durchaus erfolgreiche Krisenmanager.

Durch seine rote Brille betrachtet übernahm Werner Faymann den undankbaren Job von Alfred-das-Leben-ist-ein-Luxus-Gusenbauer. Vor dem hatte Schwarz-Blau geschreckt, davor hatten die goldenen Sozialpartnerkoalitionen geherrscht, EU-Beitritt und Deficit Spending inklusive. Ausgerechnet der Sonnenstadtrat aus Wien musste nun Finanz-, Wirtschafts- und Währungskrisen managen bzw. durchtauchen. Ausgerechnet, wenn es, später als allgemein erwartet, zarte Signale der Erholung bei Wirtschaft und Euro gibt, soll er abtreten? Ausgerechnet, wenn die kleinen Pensionsreformen Wirkung zeigen (und erst einmal die Arbeitslosigkeit erhöhen)? Ausgerechnet, wenn die Außen- die Innenpolitik verdrängt? Sicher nicht.

Durch seine schwarze Brille gesehen übernahm Michael Spindelegger den noch härteren von Josef-das-Leben-ist-ein-Volksfest-Pröll. Vor dem war Wilhelm Molterer vergessen und Wolfgang Schüssel verdrängt worden. Davor hatte Schwarz-Blau träumen lassen, nachdem die golden-dunkle Sozialpartnerzeit gedauert hatte, EU-Beitritt und Bauernförderungen inklusive. Ausgerechnet der niederösterreichische AAB-Nationalrat musste nun Banken- und Budgetkrise managen bzw. überleben. Ausgerechnet, wenn die Hypo Alpe Adria nicht mehr täglich die Schlagzeilen beherrscht, ein Teil verkauft werden kann und Steuereinnahmen sprudeln, soll er gehen? Ausgerechnet, wenn Markus Wallner und Josef Pühringer einmal selbst Wahlkämpfe durchstehen müssen? Ausgerechnet, wenn die Außen- die Innenpolitik verdrängt. Sicher nicht.


Dennoch könnten die Wechsel theoretisch passieren. In der SPÖ würde es vor dem für Faymann riskanten Parteitag blitzschnell gehen wie immer. Die rote Schnur wird geliefert, entgegengenommen und der Abschied organisiert. ÖBB-Chef Christian Kern wird zwar als Nachfolger genannt, aber vermutlich nur, um ihm zu schaden. Rudolf Hundstorfer ist für alle Spekulationsjobs nicht zu beneiden, Doris Bures wäre – wie er – wenn schon, dann lieber Stadtchef in Wien. In der ÖVP würde es wie immer qualvoll lange dauern, der Obmann so lange in „Routinesitzungen“ kritisiert und medial attackiert, bis er genervt aufgibt. Reinhold Mitterlehner wäre die schnelle Alternative. Andrä Rupprechter mögen manche Medien. Sebastian Kurz alle, aber für ihn wie für alle anderen wäre ein Wechsel knapp vor der nächsten Wahl besser.

Warum also nicht gleich wählen?

Oder was ist die Alternative? Faymann und Spindelegger bleiben wohl geschwächt, da von den Parteitagen zerzaust; die ÖVP hat ihren vermutlich im April. Dass sie den notwendigen Umschwung schaffen, wird immer unwahrscheinlicher. Beiden bleiben eigentlich nur noch wenige Monate zur Wende. Um sich auf einen langen Reformpfad zu begeben und das Lagerdenken in den eigenen Reihen zu beenden.

Das ist nicht sehr realistisch. Auch nicht um fünf vor zwölf.

E-Mails an:rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2014)

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