Der Schreier vom rechten Sektor: Straches ewig gleiches Muster

Nach neun Jahren an der Spitze der FPÖ ist ihr Obmann offenbar noch immer nicht erwachsen. Das ist seltsam und nur wegen der schwachen Regierung möglich.

Heinz-Christian Strache (FPÖ) sei Dank! Er kam als erster Politiker auf die Idee, den Verfassungsgerichtshof in einer Sache zu Hilfe zu rufen, die er sonst landauf landab verteufelt: den Proporz bei der Besetzung von öffentlichen Funktionen.

Es gibt mehrere Gründe, Strache für diese Drohung, das Höchstgericht anzurufen, dankbar zu sein. Zum einen ist es entlarvend, was die FPÖ in dem Moment vom sonst so verteufelten Proporz hält, wenn es um einen Posten für sie geht. Diese wundersame Wandlung in der Einstellung war schon unter Jörg Haider und Schwarz-Blau zu beobachten. Da weiß man jetzt wenigstens, was auch unter Strache zu erwarten wäre.

Der Posten des Vizepräsidenten des Wiener Stadtschulrats mit einer Monatsgage von 4.500 Euro, wie kolportiert, hat keine andere Berechtigung als die realverfassungsrechtliche Unsitte, derartige Funktionen nach der Stärke der Parteien zu vergeben. Er hat auch keine inhaltliche Berechtigung. Er ist also Teil des Selbstbedienungsladens für politische Parteien. Für das Kassieren öffentlicher Gelder reicht die Hand eines 21-jährigen Burschenschafters.

Das ist der zweite Grund für Dank an Strache: Die Personaldecke der FPÖ ist offenbar so dünn, dass nur jemand zu finden war, der nur seinem Parteichef nachgeplappert hat, als er Michael Häupl „Türkenbürgermeister“ genannt und auch sonst in den letzten Tagen eher intelligenzfreie Äußerungen von sich gegeben hat. Da wissen jetzt wenigstens alle Studenten, was die FPÖ unter „Leistung“ für eine Monatsgage dieser Höhe versteht und wie man dazu kommen kann.

Die Tatsache, dass Medien wieder in Straches Provokationsfalle getappt sind und Maximilian Krauss in großen Berichten mehr Publizität verschafft haben als es die Funktion oder seine krausen Ideen verdienen, ist zwar traurig, aber eine andere Geschichte. Nämlich die von den immer gleichen Fehlern, Gedächtnisschwächen und Wiederholungstätern.

Vor 15 Jahren wurde der Sieg der FPÖ unter Jörg Haider herbeigeschrieben mit Schlagzeilen wie: „Haider lässt die Puppen tanzen“, von heute bis zur nächsten Nationalratswahl wird die immer gleiche Frage gestellt werden: „Ist Strache noch zu stoppen?“ Als wäre ein FPÖ-Sieg bei der nächsten Wahl, wann immer, unausweichlich. Will sich niemand mehr auch nur drei Jahre oder selbst zwölf Monate zurückerinnern? 2011 wurde verbreitet, Strache mache die FPÖ regierungsfit, weil 2013 „gegen ihn keine Regierung gebildet werden kann“. Sie konnte. Und erst das vorhergesagte Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPÖ, ÖVP und FPÖ letztes Jahr bei der Wahl? Keine Rede davon.

Man soll sich auf eine Fortsetzung dieses Spiels – FPÖ Nummer 1, Strache nicht mehr aufzuhalten etc. - einstellen, in der Zwischenzeit sich aber mit anderem beschäftigen. Zum Beispiel mit dem vierten Grund zur Dankbarkeit: den tiefen Einblick, den die FPÖ mit dem Theater um den Strache-Verehrer in Wien in ihre Regierungstauglichkeit und in ihre Ernsthaftigkeit gewährt. Sie lässt ihre Wähler wenigstens wissen, was sie von öffentlichen Funktionen und/oder für Kompetenz hält. Das ist sehr zuvorkommend und sehr aufschlussreich.

Oder man kann sich mit der Frage beschäftigen, warum Strache nach neun Jahren FPÖ-Obmannschaft noch immer der Schreihals vom rechten Sektor ist. Es wird einfach hingenommen, dass er nach so vielen Jahren keine andere Variante als die lautstarke Atemlosigkeit gelernt hat – nicht im Parlament, nicht im Bierzelt – und manchmal nicht einmal im TV. Auch den Wunsch Straches, Wiener Bürgermeister zu werden, hatten wir schon vor Jahren.

Dieses immer gleiche Muster ist doch seltsam: Ablehnen, verneinen, provozieren! Nur weil Strache wegen der schwachen Performance von SPÖ und ÖVP gar nichts denken und tun muss, darf doch seine politische Kraftlosigkeit nicht übersehen werden. Nennen Sie bitte eine bemerkenswerte FPÖ-Idee der letzten Zeit! Anti-Ausländer-Parolen zählen nicht!

E-Mails an:debatte@diepresse.com

Zur Autorin:

Anneliese Rohrer
ist Journalistin in Wien: Reality Check http://diepresse. com/blog/rohrer

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2014)

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