"Hallo Mutter"

"Hallo Mutter", sagt die Teenage-Tochter. Eine ganze Woche war sie weg, aber mehr ist an Emotion nicht drin. Und dann, dann fährt sie mir kurz über die Haare. Wie einem Pudel.

Eine Woche war sie auf Reisen. Eine Woche, in der sie uns alle zwei Tage kurz anrief oder ein SMS schickte, jeweils von einem fremden Handy aus, aber das sind wir ja gewohnt: Sobald sie ein paar Tage außer Haus ist, geht ihr Handy kaputt, und wenn es nicht kaputtgeht, ist es verschollen, und wenn es nicht verschollen ist, dann hat sie ihren Akku vergessen. „Hi, wie geht's?“, fragt sie. „Gut, meine Süße, und dir?“ „Eh okay, Bussi!“

Dabei wollte ich noch fragen, wie es beim Segeln war!

So ist sie, unsere 16-jährige Teenage-Tochter, die glaubt, dass ihr die Welt gehört, was ja stimmt, und dass sie unsterblich ist, was ebenfalls stimmt. Und dass sie schon erwachsen ist, aber das, liebes Kind, ist nun wirklich übertrieben, auch wenn du „Fight Club“ anschauen kannst, ohne mit der Wimper zu zucken. Auch wenn du dich mit ausgesuchter Höflichkeit beim Abendessen danach erkundigst, wie denn mein Tag war, und bei Gelegenheit schöne Grüße an meine Freundinnen ausrichten lässt.

Noch bist du mein Baby, ich habe Fotos als Beweis. Siehst du, hier! Da magst du zwar noch Babylocken und eine Stupsnase gehabt haben, aber das bist du, unverwechselbar, und so wird es bleiben.

Früher, als unsere Teenage-Tochter noch keine Teenage-Tochter war, hatte so eine Schullandwoche einige Vorteile: eine Woche lang keine Hausaufgaben kontrollieren, nicht ans Zähneputzen erinnern müssen, nicht daran denken müssen, ob sie eh den Schlüssel mithat. Eine Woche lang nicht erziehen und kein Chaos im Kinderzimmer! Gut, das mit dem Chaos ist geblieben, aber außer jemanden, der die nassen Handtücher aus dem Bett fischt, braucht so ein Teenager, wenn er einmal aus der Türenknallphase draußen ist, nicht viel. Abendessen („Etwas Leckeres!“). Gewaschene Leiberln. Ein offenes Ohr, wenn er gerade Lust hat zu reden, denn es ist so: Entweder er will reden („Sofort“). Oder seine Ruhe („Jetzt nicht!“).


Zuhause. Und dann kommt sie heim, ich darf sie vom Bus abholen, immerhin. „Hallo, Mutter“, sagt sie, was ich hasse, ich war immer die Mama, manchmal auch die Mami, aber die Mutter war ich nie! „Ach, du bist süß“, sagt sie, als ich protestiere, und fährt mir kurz über die Haare. Und wir gehen nach Hause, bei strömendem Regen, dort wird sie sich in ihr Zimmer verkriechen, das sie ihr „Zuhause“ nennt, und irgendwann, wenn sie genug hat von was immer sie dort tut, wird sie zufrieden auftauchen und erzählen wollen.

Willkommen daheim!

„Du bist einfach zu anspruchsvoll“, sagt meine Teenage-Tochter, nachdem sie diese Kolumne gelesen hat. „Und apropos: Meine ganzen Klamotten sind schmutzig.“

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2015)

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