Am Herd

Über die Technik einst und jetzt und übermorgen

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Themenbild: Digitalisierung(c) EPA (Andy Rain)
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Automatische Fußnotenverwaltung ist für mich ein Synonym für die Segnungen der Digitalisierung.

Ich erinnere mich: An meinen ersten Computer. Der stürzte jedes Mal ab, wenn ich eine Diskette formatieren wollte, bis ein Freund kam, um wild in die Tasten zu hauen und dann zu sagen: „Keine Ahnung warum, aber jetzt funktioniert's.“ Mir waren diese kleinen Probleme wurscht: Es gab nämlich eine automatische Fußnotenverwaltung! Automatische Fußnotenverwaltung ist für mich seither ein Synonym für die Segnungen der Digitalisierung.

Ich erinnere mich: An Zeiten, da ich, um mit fundamental anderen Meinungen konfrontiert zu sein, den Staberl in der „Kronen Zeitung“ lesen musste. Heute, da jeder von der Filterblase redet, sind die kleinen Staberls dieser Welt immer nur einen Mausklick entfernt. Um ehrlich zu sein: Manchmal wäre mir ein bisschen Distanz lieber.

Ich erinnere mich: Das Reisen war früher spannender. Statt im Netz sieben Monate im Voraus das Apartment mit Meerblick zu buchen, flog man ins Blaue, ging vor Ort ins belebteste Lokal auf dem Hauptplatz und fragte sich durch. Tolle Domizile habe ich auf diesem Weg gefunden. Na ja, damals hatten wir auch noch keine Kinder.

Screenshot

Die Kinder erinnern sich ebenfalls: Früher, als es WhatsApp noch nicht gab, mussten sie sparsam mit den SMS umgehen, weil die extra kosteten oder das Kontingent beschränkt war. Und wenn die Lehrerin ihnen nicht glaubte, dass sie eh die Hausübung gemacht haben, nur leider, leider liegt das Heft zu Hause – ja, da konnte man nicht die Mama bitten, vom vergessenen Heft schnell einen Screenshot zu machen, für den man sich dann mit einem Herzchen und einem Marienkäfer bedanken kann.

Die Kinder erinnern sich auch daran, wie sie früher darauf warten mussten, dass etwas im Fernsehen kam, weil YouTube noch ein Sender für Musikvideos und Katzen war und Netflix noch nicht erfunden. Und dass wir auf Reisen einen eigenen Koffer für Kassetten und Bücher mitschleppten.

Woran sie sich irgendwann erinnern werden, wenn sie selbst Kinder haben: An schwere Schultaschen, vollgestopft mit Büchern, in denen mit vielen Worten und in gestelzten Sätzen erklärt wurde, wofür ein Video im E-Lehrbuch zehn Sekunden braucht. An die vielen Zettel, die irgendwo zwischen Heften und Mappen verschwanden und zerwutzelt wieder auftauchten. An Hausaufgaben, die für jeden gleich waren. An Mitteilungshefte. Und daran, dass ihre Generation noch den Führerschein machen musste und wie sinnlos das war, weil sie keiner den Umgang mit selbstfahrenden Autos gelehrt hat. Und dass alle dauernd darüber redeten, wie schädlich diese Digitalisierung doch sei.

Kann aber auch sein, das hat sich bis dahin gar nicht geändert.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2017)

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