Bizarre Rituale auf Österreichs Autobahnen: Willkommen in der Rettungsgasse!
Was ist denn jetzt los? Drei fahren unvermittelt nach links, drei schwenken aus der Fahrspur nach rechts, zwei bleiben zögernd in der Mitte wie beim Kindergehüpfe „1, 2 oder 3“, mit einem Mal geht es zu wie in Bagdad oder Karachi zur Rushhour. Ach so, alles klar: Hier wird gerade eine Rettungsgasse gebildet.
Die Rettungsgasse ist ein Vermächtnis der Ära Bures im Verkehrsministerium. Die Aufregung bei ihrer Einführung hat sich längst gelegt, der übliche Rechnungshof-Bericht, der anschließend die horrenden Kosten bei missglückter Kommunikation und fragwürdigem Nutzen angeprangert hat: gut in Schubladen verstaut. Die österreichische Rettungsgasse ist vermutlich der teuerste Verkehrsweg der Welt, weil sie viel gekostet hat, aber physisch nichts gebaut wurde. Man hat sie politisch gewollt, nach deutschem Vorbild, wiewohl es dort nur schmale Standstreifen gibt im Unterschied zu unseren breit bemessenen Pannenstreifen. Vielleicht hilft sie der Asfinag, jene Pannenstreifen in Zukunft als kostengünstige neue Fahrspuren zu gewinnen.
Fürs Erste bleiben delikate Schauspiele, die sich einstellen, sobald der Verkehr stockt, womit zur Urlaubszeit vermehrt zu rechnen ist. Irgendwer findet sich immer, der sich flugs an die Leitplanke schmiegt, um die Gasse zu eröffnen, auch, wenn auf einer Spur noch Bewegung ist. Und wer will schon Verhinderer des selbstlosen Ansinnens sein? Nur wie, wo und wann genau zu verfahren ist, das ist Gegenstand von Belehrungen, die sich die Rettungsgassenbewohner dann schön nachbarschaftlich mit Gesten und Worten zukommen lassen.
Nächste Woche: Karl Gaulhofer
(Print-Ausgabe, 05.06.2016)