Jihadisten rufen zu Angriffen „in allen Ländern“ der Antiterror-Allianz auf. Dazu gehört auch Österreich. Das Innenministerium reagiert und startet noch diese Woche mit gezielten Flugzeugkontrollen.
Wien. Ab sofort steht Österreich – gewissermaßen offiziell – auf der langen Liste der deklarierten Feinde des Islamischen Staats (IS). Anschlagsdrohung inklusive. Das Innenministerium verschärft deshalb die Sicherheitsvorkehrungen und intensiviert die Suche nach Jihadisten. Noch diese Woche sollen auf dem Flughafen Wien-Schwechat Flugzeuge stichprobenartig untersucht werden. Das teilte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner der „Presse“ mit. Sie ließ offen, welche Flüge die Behörden ins Visier nehmen. Es ist aber ein offenes Geheimnis, dass die beliebteste Transitroute der IS-Kämpfer über die Türkei führt.
In der Titelgeschichte des IS-Magazins „Dabiq“ rufen die Jihadisten zu Anschlägen gegen die USA und ihre Verbündeten auf – gegen eine Allianz, der auch Österreich angehört. Zwar beteiligt sich Wien nicht an militärischen Operationen, allerdings hat Außenminister Sebastian Kurz politische Unterstützung im Kampf gegen das selbst ernannte Kalifat zugesagt, das sich über weite Teile von Syrien und dem Irak erstreckt.
Die Drohung gegen den Westen ist unmissverständlich und explizit. Wörtlich heißt es auf Seite 44 der Kampfschrift: „Es ist sehr wichtig, dass es in allen Ländern, die der Allianz gegen den Islamischen Staat beigetreten sind, zu Angriffen kommt, insbesondere in den USA, Frankreich, Australien und Deutschland.“ Österreich wird dabei nicht ausdrücklich genannt, ist als Teil der Allianz aber dennoch direkt von Aufforderungen wie der folgenden betroffen: „Jeder Muslim sollte außer Haus gehen, einen Kreuzzügler finden und ihn töten.“ Ganz gezielt setzt dabei das Alhayat Media Center, das für den IS die Propagandaarbeit in den Ländern des Westens abwickelt, auf das Spiel mit der Angst.
Explizit raten die Jihadisten dazu, Anschläge in möglichst kleinen Gruppen zu planen und auszuführen. Jeder Mitwisser sei als potenzielles Leck, als potenzielle Gefahrenquelle für die eigene, tödliche Operation zu betrachten. Wichtig sei aber, dass ein Anschlag im Westen auch dem Islamischen Staat zuzuordnen sei. „Sonst würden die Medien der Kreuzzügler die Anschläge wie zufällige Tötungen aussehen lassen.“
Risiko durch Rückkehrer
Die Gefahr, die sich nicht nur in immer deutlicheren Drohungen manifestiert, zwingt Europas Sicherheitsapparate zum Handeln. Einige tausend Kämpfer der IS-Miliz stammen nämlich aus Europa, ein Teil davon ist bereits kampferfahren und ideologisch indoktriniert zurückgekehrt. Diese Heimkehrer stellen für Experten ein bisher noch nicht da gewesenes Risiko dar. Was also tun?
Mehr Kontrollen an den Grenzen, so lautet eine von mehreren Antworten der europäischen Staatengemeinschaft. Bereits am Wochenende einigten sich die EU-Innenminister darauf, die Möglichkeiten, die die Schengenverträge den Mitgliedstaaten bieten, bis zum Äußersten auszunutzen. Das bedeutet, dass die Staaten künftig zielgerichtet und systematisch alle Passagiere ausgewählter Flüge detailliert überprüfen. Bisher durchsuchten die Grenzbeamten die eigenen Systeme nur nach Einträgen von Nicht-EU-Bürgern. Nun müssen auch Unionsbürger mit tief greifenden Scans rechnen. Das wird für Verzögerungen im Flugverkehr sorgen. Aus Sicht der Sicherheitsbehörden ist die Maßnahme trotzdem nötig, denn: Die meisten Rückkehrer aus den Kampfgebieten besitzen Flüchtlingspässe aus EU-Staaten oder deren Staatsbürgerschaft.
Verfassungsschutz: „Keine Hinweise“
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sieht in den Flugkontrollen eine „Sofortmaßnahme“, die man im Vorgehen gegen die Jihadisten dringend benötige. Mehr ließe der Schengen-Kodex aber nicht zu. Im Gespräch mit der „Presse“ kündigte sie an, bereits in den nächsten Tagen mit zielgerichteten Kontrollen von Flügen aus bestimmten Regionen zu beginnen – und zwar in enger Abstimmung mit den deutschen Behörden.
Trotz der aktuellen Drohungen sieht der Verfassungsschutz derzeit „keine Hinweise auf sich konkretisierende Anschlagspläne“. Man sei aber wachsam. Unter der Leitung der Staatsanwaltschaft betreibt das BVT momentan 100 Ermittlungsverfahren gegen Jihadisten mit Österreich-Bezug. 150 seien bisher in die Kriegsgebiete gereist, 30 gefallen und knapp 60 wieder zurückgekehrt.
AUF EINEN BLICK
Außengrenzen der EU werden auf europäischen Flughäfen künftig strenger kontrolliert. Damit soll verhindert werden, dass aus Europa stammende und heimkehrende Jihadisten als potenzielle Gefährder in die Union sickern.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2014)