Fall Kartnig: Was man mit Fußfessel (nicht) darf

ARCHIVBILD: FUSSFESSEL FUeR EX-STURM-CHEF HANNES KARTNIG GENEHMIGT
ARCHIVBILD: FUSSFESSEL FUeR EX-STURM-CHEF HANNES KARTNIG GENEHMIGT(c) APA/HANS KLAUS TECHT
  • Drucken

Der Opernbesuch des Ex-Sturm-Graz-Präsidenten hat eine Debatte über den elektronischen Hausarrest ausgelöst. Behörden und der Verein Neustart plädieren indessen für eine Ausweitung von Fußfessel statt Gefängnis.

Wien. Peter Prechtl, Sprecher der Strafvollzugsdirektion, ist ein wenig „unglücklich“. Denn seit dem Wochenende schwelt eine Debatte, die er gern vermieden hätte, nämlich: Ist elektronisch überwachter Hausarrest ein echter Arrest, ist eine Fußfessel genug Strafe?

Den Anlass dafür lieferte Hannes Kartnig. Der zu 15 Monaten Hausarrest verurteilte Ex-Sturm-Graz-Präsident wurde bei der Premiere von „Tosca“ in der Grazer Oper gesichtet. Mit Fußfessel. Seitdem fragt man sich: Darf er das? Die Antwort ist gar nicht so einfach. Denn prinzipiell gilt: Erlaubt ist, was die zuständige Justizanstalt genehmigt. Im Anlassfall sei die Genehmigung für Ausgang jedoch missbraucht worden, sagt Prechtl.

Kartnig habe einen Antrag auf „Aufrechterhaltung von familiären Kontakten“ gestellt, von einem Opernbesuch sei nicht die Rede gewesen. „Hätte man es gewusst, hätte man es verboten“, so Prechtl. Dabei sei ein Opern-, Kino- oder Matchbesuch mit Fußfessel nicht per se unmöglich, sofern man das sehr gut begründen könne. Im Falle Kartnig habe aber eben die Prominenz eine Rolle gespielt: „Man hat ihm“, sagt Prechtl, „von Anfang an gesagt, dass er Ruhe geben soll, dass er sich von öffentlichen Veranstaltungen fernhalten soll.“ Vermutlich mit dem Hintergedanken, Debatten wie die aktuelle zu vermeiden. Daher hat Kartnig nun auch einen offiziellen Verweis kassiert. Bei weiteren Verstößen riskiert er, die Strafe im Gefängnis absitzen zu müssen.

Zu wenig „Backdoor“-Fälle

Prinzipiell ist der Alltag von Fußfesselträgern streng geregelt: Wöchentlich erstellt der mit der Resozialisierung befasste Verein „Neustart“ mit den Betroffenen einen genauen Wochenplan, der von der Justizanstalt genehmigt wird. Es muss jeder spontane Arztbesuch sofort angemeldet werden, weil jede Abweichung vom Wochenplan den Alarm auslöst, wie Neustart-Sprecherin Dorit Bruckendorfer erklärt. Auch bei schönem Wetter einfach schnell um den Block zu gehen, sei verboten, sagt Bruckendorfer: „Für manche ist das so schwer auszuhalten, dass sie abbrechen und lieber in Haft gehen.“

In Summe sind es aber sehr wenige. Seit die Fußfessel im September 2010 startete, gab es bei insgesamt über 2000 Fußfesselträgern nur 180 Abbrüche (wegen Verstößen, wegen Jobverlust, neuen Straftaten etc.). Auch gesellschaftlich und finanziell ist die Fußfessel durchaus ein Erfolg: Sie hilft das soziale Netz zu erhalten, während man durch das Gefängnis oft Job und Wohnung verliert. Und: Im Gegensatz zu einem Häftling, der den Staat mehr als 100 Euro pro Tag kostet, zahlt der Fußfesselträger (sofern er nicht mittellos ist) 22 Euro pro Tag.

Neustart tritt deshalb für eine Ausweitung des Fußfessel-Einsatzes ein: Derzeit kommen nur U-Häftlinge und Verurteilte mit einer Strafe bzw. einem Strafrest von höchstens zwölf Monaten in Betracht. Zusätzlich braucht man einen Job, einen Wohnraum und die Zustimmung der Mitbewohner. Neustart möchte einerseits die offene Strafe auf bis zu 18 Monate ausdehnen und anderseits in „Backdoor“-Fällen die Bestimmungen erleichtern: Backdoor-Fälle sind jene, wo der elektronisch überwachte Hausarrest in den letzten Monaten vor der Entlassung angewendet wird – zur Vorbereitung auf das „neue Leben“. Von derzeit 210 Fußfesselfällen zählen nur 67 zu dieser Kategorie. Grund: Die Kandidaten scheitern am Job-Erfordernis, weshalb Neustart auch Arbeitssuche genügen lassen will.

„Genauer nachfragen“

Auch Prechtl ist mit der Entwicklung nicht zufrieden. Konkret vorstellen kann er sich aber eher die Ausweitung der Fußfessel auf Fälle mit einem Strafrest bis zu 18 Monaten. „Das halte ich für verantwortbar.“ Bei dem jährlichen Arbeitstreffen aller mit der Fußfessel befassten Einrichtungen will er das auch diskutieren.

Der Fall Kartnig werde dort ebenfalls zur Sprache kommen. Denn: „Man muss bei der Genehmigung von Ausgängen noch genauer nachfragen, was jemand vorhat“, sagt Prechtl. (uw)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Archivbilod: Kartnig im Sommer vor Gericht
Österreich

Kartnig wieder im Gefängnis

Trotz strenger Fußfesselauflagen feierte der ehemalige Sturm-Präsident in einem Wiener Hotel seinen Geburtstag. Jetzt ist der elektronische Hausarrest widerrufen worden.
Hannes Kartnig und seine Fußfessel sorgen erneut für Aufsehen.
Österreich

Mit Fußfessel: Kartnig feierte Party im Hotel

Kartnigs Feier seines 63. Geburtstags im Wiener Park Hyatt Hotel befeuert die Fußfessel-Debatte. Der Ausgang war offiziell genehmigt.
Archivbild: Kartnig im August vor Gericht
Österreich

Graz: Kartnig mit Fußfessel in der Oper

Der ehemalige Sturm-Graz-Präsident nutzte einen beantragten Ausgang zum Besuch der Premiere von "Tosca" in der Grazer Oper.
Archivbild: Kartnig vor Gericht
Österreich

Kartnigs Fußfessel-Beschwerde bei Behörde "untergegangen"

Eine zweimonatige Antwortfrist verstrich, erst nach einem Anruf des Kartnig-Anwalts wurde das Schreiben doch gefunden.
Archivbild vom Prozesstag am 18. November
Österreich

Kartnig-Prozess: Restliche Angeklagte freigesprochen

Dem früheren Sturm-Graz-Anwalt, dem Buchhalter und einem Vorstandsmitglied wurde keine Mitwirkung am Betrug bei der Kartenabrechnung nachgewiesen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.