Lawinen: Das ist ein „hundsgemeiner Winter“

TIROL: LAWINENABGANG IN DER WATTENER LIZUM
TIROL: LAWINENABGANG IN DER WATTENER LIZUM(c) APA/ZOOM.TIROL (ZOOM.TIROL)
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Experten sehen die speziellen Schneeverhältnisse des heurigen Jahres als Mitursache für das Unglück von Sonntag, bei dem fünf Alpinisten aus Tschechien ums Leben kamen.

Innsbruck. Die Mitglieder von zwei Gruppen tschechischer Freerider werden den 6. Februar 2016 nie vergessen. 13 der insgesamt 20 Personen gerieten in der Wattentaler Lizum (Bezirk Innsbruck Land) unter eine Lawine. Fünf von ihnen konnten nur tot geborgen werden.

Zwei Tage nach dem Unglück gibt es erste, unverbindliche Antworten von Experten auf die Frage nach dem Warum. So sagt der Leiter des Tiroler Lawinenwarndienstes, Rudi Mair, dass die Wintersportler bei ihrer Tour ein hohes Risiko eingegangen seien. Und das in einem „hundsgemeinen Winter“ wie diesem, der ein „massives Altschneeproblem“ mit sich bringe.

Falsche Route gewählt?

Die Tour der zwei Freerider-Gruppen, die von der Lizumer Hütte auf den Hohen Geier führte, war laut Mair für die Lawinensituation nicht die erste Wahl. Es hätte in diesem Gebiet andere Touren gegeben, die weniger steil und exponiert ausgefallen wären. Es komme nicht von ungefähr, dass diese Route außer den 20 Tschechen niemand wählte, obwohl sich an dem Tag auch andere Gruppen in der Wattentaler Lizum befunden hätten. Darunter auch ein Team des Lawinenwarndienstes. Dieses hatte die Tschechen auch zufällig fotografiert.

Die Fotos sind zu Anschauungszwecken im Weblog des Lawinenwarndienstes veröffentlicht (http://lawinenwarndienst.blogspot.co.at). Aus ihnen geht unter anderem hervor, dass die Lawine deshalb so fatal war, weil sie sich aus vier Lawinen, die offenbar gleichzeitig abgingen, zusammensetzte. Das erklärt auch die ungewöhnliche Höhe des Lawinenkegels von fünf Metern, die die Wirkung der eingesetzten Lawinen-Airbags erheblich minderte.

(C) DiePresse

Wie die Alpinpolizei hält auch Mair die Wahrscheinlichkeit einer Fernauslösung der Lawine für groß. „In einem normalen Winter wäre eine Lawine abgegangen“, erklärte er. Der diesjährige Aufbau der Schneedecke mit einem, wie er sagt, „extrem schlechten, schwachen Fundament“, habe hingegen dazu geführt, dass bei dem Lawinenunglück gleich mehrere Schneebretter abgingen. Bei nur einer Lawine wären die Überlebenschancen höher gewesen.

Zur Entspannung der prekären Lawinensituation in Westösterreich könnten vor allem starke Schneefälle beitragen, glaubt Mair. Diese würden für eine kompakte, dringend notwendige Schneeschutzschicht sorgen, die derzeit nicht gegeben sei. Rund ein Meter Neuschnee sei dafür erforderlich.

Einmal mehr erneuerte Mair auch seine Forderung nach einer Umbenennung der Warnstufen der fünfteiligen Gefahrenskala. Die Bezeichnung „erheblich“ für die Warnstufe 3 sei seiner Auffassung nach „Wischiwaschi“. Der Experte hatte bereits im vergangenen Jahr vorgeschlagen, dass die Stufe 3, bei der tendenziell die meisten Unglücke passieren, die Bezeichnung „groß“ tragen sollte.

Insbesondere abseits der gesicherten Pisten herrscht vielerorts – anders ist es nicht zu beschreiben – derzeit Lebensgefahr in den Bergen. Für die südlichen Teile der Alpen sind ab Dienstag starke Schneefälle vorhergesagt. Ebendort wird die Gefahr durch Lawinen jedoch voraussichtlich steigen, und nicht sinken. Grund ist der Wind.

Neuschnee im Süden

In Tirol richtet sich die Warnung derzeit vor allem an Tourengeher. Oberhalb von 2000 Metern gilt Warnstufe 3 von 5. Frische Triebschneeansammlungen seien störanfällig und könnten durch geringe Zusatzbelastung als Lawinen ausgelöst werden. Auch an den Übergängen von viel zu wenig Schnee ließen sich Lawinen derzeit sehr leicht auslösen. In diesen Bereichen entspreche die Auslösewahrscheinlichkeit schon der Stufe 4. In Salzburg und Vorarlberg ist die Situation ganz ähnlich.

Am Dienstag beginnt es in Kärnten und Osttirol zu regnen. Bis Mittwoch sinkt die Schneefallgrenze auf 700 Meter. Die größten Neuschneemengen kommen vom Lesach- über das Gailtal und die Karawanken bis zur Koralpe zusammen. Hier fallen in den Tälern örtlich 50 cm Schnee, auf den Bergen bis zu 100 cm, so der Wetterdienst Ubimet. Und danach kommt der Wind. Spitzen von 70 bis 100 km/h sind wahrscheinlich, was zu großen Triebschneeablagerungen führen wird. Daher ist dann auch im Süden mit Lawinenwarnschufe 3 bis 4 zu rechnen. (APA, red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2016)

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