Wie es mit den Salafisten weitergeht

STEIERMARK: ANTI-TERROREINSATZ IN GRAZ
STEIERMARK: ANTI-TERROREINSATZ IN GRAZ(c) APA/ELMAR GUBISCH
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Der Schlag der Polizei gegen radikale Islamisten, die laut Behörden einen Gottesstaat errichten wollten, bringt auch eine Verfolgung wegen „Erschütterung der Republik“.

Wien/Graz. Nachdem am Donnerstag eine der größten je da gewesenen Razzien innerhalb der Salafistenszene in Graz und Wien über die Bühne gegangen ist, beginnen für die Strafbehörden die Mühen der Ebene. Hier ein Überblick über die nächsten Schritte.

1. Wie sieht die aktuelle Bilanz nach der Großrazzia aus?

Gegen 33 Beschuldigte wird ermittelt. 14 Personen, darunter drei Frauen, warten in Verwahrungshaft auf die Beschlussfassung des Straflandesgerichts Graz. Wird das Gericht die beantragte U-Haft verhängen? Alles spricht dafür, dass über den harten Kern, also über acht Männer aus Balkanländern, etwa aus Bosnien oder Mazedonien, die U-Haft verhängt wird. Denn bei diesen – unter ihnen sind zwei salafistische Prediger – hat das Gericht bereits Festnahmeanordnungen unterschrieben.

2. Welche Schritte setzen die Behörden in den nächsten Wochen?

Der Verfassungsschutz wird Einvernahmen führen. Die beschlagnahmten 140 Datenträger, Mobiltelefone und Laptops, werden ausgewertet. Mögliche Zeugen bekommen eine Ladung zur Einvernahme. Bei den U-Häftlingen müssen nach 14 Tagen erste Haftverhandlungen anberaumt werden. Dabei wird über die Frage der Verlängerung der U-Haft entschieden. Nach einem weiteren Monat muss erneut eine Haftverhandlung stattfinden, ab dann alle zwei Monate.

3. Was ist die Besonderheit bei den aktuellen Vorwürfen?

Sieht man sich die Judikatur der jüngsten Terrorverfahren an, sticht der Paragraf 278 b, Absatz 2 des Strafgesetzbuchs heraus, Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, als Auffangtatbestand heraus. Der Großteil der Anklagen gegen Gefolgsleute der Terrormiliz IS (Islamischer Staat) stützt sich auf diese Gesetzesstelle. Die Strafdrohung ist flexibel: von einem Jahr bis zu zehn Jahre Gefängnis. Neu ist nun, dass die Staatsanwaltschaft Graz gegen die Hauptverdächtigen, denen sie den Aufbau radikal-islamistischer Netzwerke und das Rekrutieren von ungefähr 40 Jihadkämpfern vorwirft, auch das seltene Delikt „Staatsfeindliche Verbindungen“ heranzieht.

Demnach ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen, wer „eine Verbindung gründet, deren [. . .] Zweck es ist, [. . .] die Unabhängigkeit, die in der Verfassung festgelegte Staatsform oder eine verfassungsmäßige Einrichtung der Republik Österreich [. . .] zu erschüttern“. Zudem müssen sich die Verdächtigen auch wegen des Mafiaparagrafen verantworten, da der IS freilich auch in Gewinnabsicht (Menschenhandel, Öl- und Waffenschmuggel etc.) tätig ist.

4. Warum sind schon wieder Graz und Wien die Tatorte?

In der Anonymität der Ballungszentren lassen sich salafistische Strukturen naturgemäß leichter errichten als auf dem Land. Schon 2014 gab es eine ganz ähnliche Großrazzia in Wien, Graz und Linz. Im Rahmen der gerichtlichen Aufarbeitung der von der damaligen ÖVP-Innenministerin, Johanna Mikl-Leitner, als großer Erfolg gepriesenen Aktion erging die erstinstanzliche Verurteilung des aus sozialen Internetplattformen international bekannten Salafistenpredigers Mirsad Omerovic.

Er erhielt wegen versuchter Anstiftung zum Terrormord in Syrien 20 Jahre Haft. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Omerovic bekennt sich nicht schuldig. Die nunmehrige Großrazzia ist aber mit dem Fall Omerovic nicht in Zusammenhang zu bringen.

5. Wie geht es nun mit dem 17-jährigen Lorenz K. weiter?

Mit Lorenz K., der vor wenigen Tagen in Wien in U-Haft wanderte, weil er ein Mitglied der Terrormiliz IS sein und Anschläge auf öffentliche Einrichtungen geplant haben soll, hat die Großrazzia ebenfalls nichts zu tun. Der Anwalt von K., Wolfgang Blaschitz, gibt an, sein Mandant habe gar keine Anschlagspläne entwickelt.

Am Montag versucht der Staatsanwalt, der Wahrheit näherzukommen. An diesem Tag ist die erste staatsanwaltliche Einvernahme im Beisein von Vertretern des Verfassungsschutzes und auch in Gegenwart des Anwalts anberaumt. Sollte es bei K. zu einer Verurteilung kommen, muss geprüft werden, ob eine noch offene Reststrafe aus einer Handyraubverurteilung – es geht um 18 Monate bedingt – auch noch abzusitzen ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2017)

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