Seestadt Aspern: Stadt der Frauen

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Wiens Straßen, Parks und Plätze tragen überwiegend Namen bekannter Männer. Damit sich das ändert, werden die Straßen Asperns nur nach Frauen benannt. „Namen prägen die Identität eines Stadtteils“, sagt Lueger.

Wien/Cim. Aspern wird weiblich. In wenigen Jahren, wenn die ersten Bewohner die Seestadt bevölkern werden, wird man dort durch die Agnes-Primocic-Gasse spazieren, am Hannah-Arendt-Platz Kaffee trinken oder im Yella-Hertzka-Park picknicken. In der Donaustadt entsteht ein Stadtteil, in dem allein die Frauen das Sagen haben. Zumindest auf den Straßenschildern.

Jüngst wurden, von der Öffentlichkeit unbemerkt, die ersten 22 Straßennamen für die Seestadt Aspern im Gemeinderatsausschuss für Kultur und Wissenschaft beschlossen. Neben einer Sonnenallee, einer Seestadtstraße und einem Seepark findet man auf dem Plan der Seestadt fortan nur die Namen berühmte Frauen:

Die Philosophin und Gründerin Österreichs erster Yogaschule, Susanne Schmida, die Ökonomin und Pionierin der Sozialarbeit, Ilse Arlt, die Philosophin und Publizistin Hannah Arendt, die Schuldirektorin und Frauenrechtlerin Yella Hertzka, die Ärztin, Juristin, NS-Gegnerin und KZ-Überlebende Ella Lingens-Rainer, die Widerstandskämpferin Agnes Primocic, die Pionierin der Systemischen Familientherapie Georgine Steininger – an sie alle wird fortan auf Straßenschildern erinnert.

Noch ist die Frauenquote im Wiener Stadtplan sehr bescheiden: 6614 Verkehrsflächen sind namentlich erfasst, 4178 Straßen, Gassen oder Parks sind nach Menschen benannt, 91 Prozent davon nach Männern. Immerhin, schon 1842 wurde die erste Straße, die Lilienbrunngasse in der Leopoldstadt, einer Frau (Therese Adler von Lilienbrunn) gewidmet. Seither wurden in Wien nur 343 Verkehrsflächen nach Frauen benannt. In den vergangenen Jahren war der Trend freilich schon ein anderer: Neue Straßen tragen eher einen Menschen- als einen Flurnamen, die Frauenquote steigt.

Erstmals weniger Männer

So wurde im Jahr 2000, ähnlich wie nun in Aspern, in Liesing im Stadterweiterungsgebiet „In der Wiesen“ ebenfalls ein rein weiblich benanntes Grätzel geschaffen: Die Straßen erinnern an Schauspielerinnen – etwa Romy Schneider, Marisa Mell, Alma Seidler. Heuer, so heißt es aus dem Büro von Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny, könnten erstmals mehr Verkehrsflächen nach Frauen als nach Männern benannt werden.

Die erste der neuen Straßen in Aspern, den Josefine-Hawelka-Weg, benannt nach der legendären Kaffeehausbetreiberin, gibt es bereits, sie ist bloß noch nicht an die Stadt übergeben. Im Herbst, so vermutet Josef Lueger, Prokurist der Wien 3420 Aspern Development AG und Projektleiter des Citynaming-Prozesses, werden vermutlich erste Schilder stehen. Ab dann werden auch die Bauträger die Namen verwenden, um für die entstehenden Wohnungen zu werben.

„Gedächtnisspeicher“

„Die Namen prägen die Identität eines Stadtteils, wir haben uns mit der Benennung eingehend befasst“, sagt Lueger. Seit 2009 hat das Wiener Institut für sozialwissenschaftliche Dokumentation und Methodik (Wisdom) im Auftrag der Wien 3420 AG an der Namensstrategie gearbeitet, 30 Experten wurden einbezogen. „Die Straßennamen einer Stadt sind der kollektive Gedächtisspeicher“, meint Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SP), der das Citynaming-Projekt initiiert hat. „Es ist an der Zeit, der weiblichen Seite Wiens den Raum zu geben, der ihr zusteht.“

Auch in Zukunft sollen die Straßen in Aspern – 100 bis 120 Namen werden vermutlich in Summe bis 2030 zu vergeben sein – wenn sie nach Menschen benannt werden, Frauen gewidmet sein. Pippi Langstrumpf, Kiki Kogelnik (Pop-Art-Künstlerin) oder Lina Loos (Kabarettistin und Schauspielerin) könnte dann auf den blauen Schildern stehen. Diese drei Namen finden sich auf einer Liste von 63 potenziellen Bezeichnungen für Verkehrsflächen, die im Rahmen des Citynaming-Prozesses erarbeitet wurde.

„Jö schau“ als Straßenname

Sucht ein Bezirk – die Vergabe von Straßennamen ist Bezirkssache – nach einem neuen Namen für einen Platz oder Park, kann er sich aus dieser Liste bedienen. Darauf stehen nicht nur berühmte Menschen, auch Begriffe aus den Themenfeldern Alltagsgeschichte oder Jugend-Heroes. So könnte es sein, dass man bald irgendwo auf dem „Jö schau-Weg“ oder die „Melange-Gasse“ bis zum „Die-Fantastischen-Vier-Platz“ spaziert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2012)

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