Beschneidung: Kirchen fordern Regierungsstatement

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Regierung soll mit Bekenntnis zur Zulässigkeit des Eingriffs Debatte beenden. Ob es ein „Regierungsbekenntnis“ gibt, ist offen. Der Bundespräsident wollte sich nicht äußern.

Wien/Uw. Dass die rituelle Beschneidung bei kleinen Buben laut Justizministerin erlaubt ist und Beatrix Karl keinen Handlungsbedarf sieht, reicht offenbar nicht. In einer gemeinsamen Pressekonferenz forderten gestern, Freitag, der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Oskar Deutsch, der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Fuat Sanac, der Generalsekretär der Bischofskonferenz, Peter Schipka, und der evangelische Bischof Michael Bünker ein „Bekenntnis der Bundesregierung“ – zur Zulässigkeit des Eingriffs im Speziellen und zum Recht der Eltern auf religiöse Erziehung im Allgemeinen. Das Statement, hofft Sanac, werde die Verunsicherung und die Debatte, die einem deutschen Urteil folgten, „friedlich“ beenden.

Kanzleramt verweist auf das Gesetz

Ob es ein „Regierungsbekenntnis“ gibt, ist offen. Der Bundespräsident wollte sich nicht äußern, Kanzlersprecher Nedeljko Bilalic verweist auf das neue Gesetz über ästhetische Operationen. In dessen Erläuterungen heißt es: „Die Beschneidung an männlichen Säuglingen israelitischer und muslimischer Konfession verstößt nicht gegen die guten Sitten, sofern diese nicht gegen den Willen der Eltern durchgeführt wird.“ Dass dort auch steht, dass die OP Ärzten vorbehalten ist, ändere nichts daran, dass der Eingriff durch Experten der Religionsgemeinschaften straflos bleibe, versichern Bilalic und Justizministerium. Das ist der IKG wichtig. Denn eine Einschränkung auf Ärzte – wie in Deutschland diskutiert – will man nicht: Erstens, weil dann ein religiöser Akt in den OP-Saal verbannt werde, sagt der Wiener Rabbiner Schlomo Hofmeister. Zweitens, weil europäische Ärzte keine Erfahrung mit der Beschneidung bei Neugeborenen hätten: „Mit unserer Methode, die aber nur bei Kindern bis zu einem Jahr anwendbar ist, dauert der Eingriff acht Sekunden, im Spital bis zu zwanzig Minuten.“ Hofmeister fände es daher besser, den Eingriff, nur qualifizierten religiösen Experten zu erlauben – „dann hätten die Ärzte keinen Gewissenskonflikt“. Für Muslime, sagt Sanac, spiele die Ärztefrage keine große Rolle, da es genug muslimische Ärzte gebe, die die Kinder (die zu dem Zeitpunkt schon älter sind) beschneiden. Und: „Mit neuen Technologien ist das mit Fingernägelschneiden vergleichbar.“

Wie wichtig das Thema Islam und Judentum ist, betont Deutsch indem er den Vergleich des IKG-Ehrenpräsidenten Ariel Muzicant, der ein Beschneidungsverbot eine „Shoah mit geistigen Mitteln“ nannte, sinngemäß wiederholte: Ein Verbot wäre „eine Vertreibung von Juden und Muslimen“, und „muslimisches und jüdisches Leben wäre nicht möglich“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2012)

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