Die Untersuchungsbehörde Bea veröffentlichte einen Zwischenbericht zum Germanwings-Absturz. Darin heißt es, dass Andreas L. einen Hinweis auf medizinische Untersuchungen in seiner Fluglizenz hatte.
Berlin/Paris. Es war offenbar geplant. Als der Pilot Andreas L. (27) die Maschine der Flughansa-Tochter Germanwings am 24. März in die französischen Alpen prallen ließ, war in Ermittlerkreisen von einer Ausnahmesituation die Rede, davon, dass der von Depressionen geplagte L. im Affekt gehandelt haben könnte. Den neuesten Ermittlungsergebnissen zufolge dürfte L. seine Tat aber schon länger geplant haben. Bereits beim Hinflug von Düsseldorf nach Barcelona hat L. einige Male einen Sinkflug mit einer Flughöhe von nur 30 Metern eingestellt und auch die Geschwindigkeit erhöht, obwohl diese Schritte technisch nicht notwendig waren. Zum Handlungszeitpunkt befand sich L. allein im Cockpit. Die Sinkflüge sind allerdings deswegen nicht aufgefallen, weil sie zuvor von der Flugsicherung vorgegeben worden sind. Zudem hat L. die Einstellungen nach wenigen Sekunden wieder geändert.
Das sind die Ergebnisse des Zwischenberichts, die am Mittwoch von der französischen Untersuchungsbehörde Bea veröffentlicht wurden – sie basieren auf der Untersuchung des Flugschreibers. „Man kann daraus schließen“, so Bea-Direktor Rémi Jouty, „dass er handlungsfähig war und dass alle seine Handlungen den gleichen Sinn hatten, nämlich das Flugzeug auf den Boden stürzen zu lassen.“ Der Bericht wurde auch der deutschen Fluggesellschaft übermittelt.
Elf Versuche der Kontaktaufnahme
Beim Rückflug der Maschine führte der Kopilot L. den Aufprall schließlich absichtlich herbei, alle 150 Insassen wurden getötet, darunter auch eine Schulklasse. L. verriegelte das Cockpit, während der Pilot eine Toilettenpause machte. In dem Bericht der französischen Behörden heißt es, dass das Kontrollzentrum in Marseille während des Sinkflugs elf Mal auf drei verschiedenen Frequenzen versucht habe, die Besatzung zu erreichen – erfolglos. Und: Kurz vor dem Aufprall hat L. noch das Steuer bewegt, allerdings wurde dadurch der Autopilot nicht ausgeschaltet.
Nach dem Absturz wurde die medizinische Vergangenheit von L. bekannt – auch dazu haben die französischen Ermittler neue Erkenntnisse gewonnen. In L.s Fluglizenz war der Vermerk „Specific medical examinations“ (SIC) enthalten. Das heißt, L. musste öfter als andere Piloten untersucht werden, und jener Arzt, der dafür zuständig war, musste davor die Behörden kontaktieren. Aufgrund der Behandlung seiner Krankheit hatte Lufthansa L.s Tauglichkeitslizenz zwei Mal nicht erneuert, heißt es in dem Bericht. 2009 schließlich erhielt L. die Lizenz. Die Erkenntnisse würden zeigen, so Jouty, dass die Krankheit des Piloten sehr wohl aufmerksam untersucht wurde.
Erst kürzlich wurde bekannt, dass auch die US-Behörden seit 2010 von der Krankheit L.s wussten. Im Bundesstaat Arizona absolvierte L. einen Teil seiner Ausbildung. In den Unterlagen gab er an, keine psychischen Probleme zu haben, allerdings reichte L. später eine Ergänzung ein und schilderte, an schweren Depressionen gelitten zu haben. In einem beigelegten Attest eines Arztes hieß es weiter, dass L. zwischenzeitlich geheilt sei – daher wurde ihm auch seine US-Lizenz erteilt. Zuvor hatte sich die US-Luftfahrtbehörde nämlich skeptisch gezeigt. (duö)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2015)