Chorherr: Grundeigner zum Verkauf zwingen

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Planungssprecher Christoph Chorherr im Interview mit der "Presse" über die Wohnideen der Grünen.

Die Presse: Wohnen kehrt in die Politik zurück. Sie selbst haben diese Woche eine Pressekonferenz zum Thema Hausspekulation abgehalten. Aber abseits von diesem Spezialthema: Welche Ideen haben die Grünen, die die SPÖ noch nicht hatte?

Christoph Chorherr: Einer der am meisten unterschätzten Gründe der Kostenexplosion bei den Mieten ist die Explosion der Grundstückspreise. Marktwirtschaft funktioniert dort gut, wo vermehrte Nachfrage zu mehr Produktion und Angebot führen kann. Da ich Grund und Boden nicht vermehren kann, funktioniert Marktwirtschaft hier nicht. Die Eigentümer von Liegenschaften haben teilweise geradezu obszöne Preisvorstellungen. Für den sozialen Wohnbau werden circa 250 Euro Kaufpreis pro Quadratmeter Nutzfläche akzeptiert, für Flächen am Stadtrand wird schon mehr verlangt, in dicht besiedelten Gebieten fast das Vierfache. Wir glauben daher nicht, dass man Grundstücke völlig dem  freien Markt überlassen kann, weil die verstärkte Nachfrage dann nur zu Preissteigerungen führen kann. Es muss so wie in Deutschland eine Sozialpflichtigkeit des Eigentums geben.

Was verstehen Sie darunter?

Man soll preisdämpfend auf den Grundstücksmarkt einwirken.

Wie? Will man den Widmungsgewinn abschöpfen?

Das würde zu spät ansetzen. Denn wenn der Wohnbauträger um Umwidmung ansucht, hat er den Grund schon zu teuer gekauft. Ich würde so beim Falschen abschöpfen und die Wohnungen noch teurer machen. Die Debatte, die zu führen ist, lautet vielmehr: Warum darf der Staat ins Eigentum eingreifen, wenn er eine Straße baut, aber nicht, wenn jemand aus spekulativen Gründen einen Grund vorhält und astronomische Preise verlangt?

Sie wollen die Grundeigner zum Verkauf zwingen?

Wenn Grundstücke nur gehortet werden, um Spekulationsgewinne zu erzielen, ja, als Ultima Ratio. Das öffentliche Interesse rechtfertigt das.

Das ist de facto eine Enteignung.

Unsere Rechtsordung kennt so etwas längst, z. B. bei Straßen. Und wer Landwirt ist und Landwirtschaft weiter betreiben will, soll das klarerweise weiter können.

Der Zwang zum Grundverkauf ist radikal. Ebenso die Idee, die sie kürzlich geäußert haben, nämlich Häuser zwangsverwalten zu lassen, wenn Spekulanten Bauarbeiten nicht zu Ende führen. Wie links sind Sie eigentlich?

Ich würde mich als ökologischen Linksliberalen sehen. Ich bin ein Anhänger der Marktwirtschaft, aber dort, wo sie funktioniert.

Die Stadt ist selbst ein Großgrundbesitzer. Warum nutzt man nicht den eigenen Grund?

Wir, die Grünen, finden, die Stadt soll mit ihren Gründen so umgehen wie die katholische Kirche. Ein Stift verkauft seine Gründe nicht, sondern vergibt sie in Baurecht (Anm.: das Recht, auf fremdem Grund ein Gebäude zu errichten). Nach 60, 80, 99 Jahren fällt der Grund an den Eigentümer zurück und  kann erneut vergeben werden. Beim Otto-Wagner-Spital-Grund konnten wir uns mit der SPÖ darauf einigen. Ein weiteres Verhaltensprinzip der Stadt, das wir ändern wollen, ist, dass Stadt, Bund oder Bundesheer oft wie Private agieren. Sie versuchen, ihre Gründe bestmöglich zu veräußern. Das ist absurd. Einerseits zahlt man Wohnbauförderung, andererseits verkauft man die Gründe teuer. Man sollte die Gründe gleich für Stadtgebiete mit sozialem Wohnbau hergeben. Darüber hinaus sollten wir die niedrigen Kreditzinsen nutzen, um Wohnungen im eigenen Wirkungsbereich anzubieten.

Die Stadt soll wieder selbst Gemeindebauten errichten?

Darüber sollte man ernsthaft nachdenken.

Sie haben neue Schulden erwähnt. Wie passt das zum Stabilitätspakt, der ab 2016 keine Neuverschuldung erlaubt?

Es gibt Schulden und Schulden. Wenn den Schulden ein Wert gegenübersteht, wenn eine Investition auch Einnahmen generiert wie beim Wohnbau, sollte das berücksichtigt werden.

Da sagen Sie nur, was auch Michael Häupl sagt.

Das ist doch wunderbar.

Der Stabilitätspakt ist aber eine bundesweite Angelegenheit.

Er ist mit den Ländern vereinbart und allenfalls neu zu verhandeln.

Sie haben das Bundesheer erwähnt: Soll Wien die Starhemberg-Kaserne kaufen?

Ja. Wenn der Rechnungshof kritisiert, dass die Kasernen zu wenig erlösen, sieht er nicht, dass es andere Ziele gibt: Wollen wir auf ehemaligen Kasernenflächen lauter Luxuswohnungen haben? Das kann nicht der Sinn sein.

Bei den Maßnahmen, die Sie aufgezählt haben, vermiss ich den Vorschlag von Maria Vassilakou: sieben Euro Mietpreisobergrenze pro Quadratmeter.

Ich wollte mich jetzt auf Dinge konzentrieren, die Wien allein machen kann.

Der Stabilitätspakt ist auch keine Wiener Angelegenheit. Ist die Sieben-Euro-Forderung aufrecht?

Journalistische Zuspitzung mögen auch Politikern erlaubt sein, um eine Debatte anzuregen. Unsere Position ist: Natürlich muss das Mietrecht überarbeitet werden und die absurden Zuschläge müssen eingegrenzt, Überschreitungen pönalisiert werden.

Rechnen Sie denn mit einer baldigen Mietrechtsreform?

Nein. Umso wichtiger ist es, dass wir selbst das Wohnungsangebot ausweiten: Ich weiß aber, dass viele Wiener die Stadterweiterung kritisch sehen. Die Bürgerinitiativen sagen mir immer: Bitte nicht bei uns. Ich verstehe das, aber wir brauchen Wohnraum.

Was ist mit dem Verdichten in den inneren Bezirken?

Wenn Wien, wie alle Prognosen zeigen, in den nächsten 15 Jahren um eine Viertelmillion Menschen wächst, führt an kluger, sensibler Verdichtung kein Weg vorbei. Drei Beispiele: frei stehende, ebenerdige Supermärkte. Diese kann man mit Wohnungen überbauen. Es gibt bereits ein Leitprojekt im Auhof. In Zukunft wird eine Handelskette nicht mehr einfach sagen können, über mir darf nichts sein. Oder überdimensionierte Parkplätze: Hier wird schon demnächst ein schönes Projekt präsentiert. Schließlich die Siedlungsbauten der 1960er- und 1970er-Jahre, die in Zeiten einer schrumpfenden Stadt geplant wurden: Hier kann sensibel, unter Einbindung der Bewohner saniert und nachverdichtet werden.

Der Stadtplanungsexperte Reinhard Seiß hat im „Presse“-Interview gesagt: Die Handschrift der Grünen wird man an jenen Projekten erkennen, die nicht gebaut wurden. Welche haben Sie in den vier Jahren verhindert?

Es waren einige. Aber Dinge, die man umgebracht hat, zerrt man nicht an die Öffentlichkeit. Angesichts des Umstands, dass Wien in der expansivsten Phase seiner Stadtgeschichte ist und dass in den nächsten 15 Jahren noch einmal so viele Menschen dazukommen, wie Graz Einwohner hat, muss ich sagen: Es wird viel zu wenig gebaut.

Was Radfahrsprecher Chorherr zum Verkehr sagt, unter: www.diepresse.com/chorherr

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2014)

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