Fall Alijew: Vorwürfe gegen Gericht

Die Angeklagten Alnur Mussajew und Vadim Koshlyak
Die Angeklagten Alnur Mussajew und Vadim Koshlyak (c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Die Staatsanwaltschaft wirft der Richtern eine mehrfache "vorgreifende Beweiswürdigung" vor.

Wien. Nach Freilassung der beiden kasachischen Angeklagten Alnur Mussajew und Vadim Koshlyak aus der U-Haft versucht die Staatsanwaltschaft Wien derzeit beim Oberlandesgericht (OLG) die neuerliche Verhaftung der beiden unter Doppelmord-Verdacht stehenden Männer zu erwirken. Im Zuge dessen erhebt sie massive Vorwürfe gegen den Drei-Richter-Senat, der die Enthaftung beschlossen hat.

Dieser Senat des Straflandesgerichts Wien (Vorsitz: Andreas Böhm) würde demnach Beweise, die den Geschworenen noch gar nicht in der Verhandlung (Alijew-Prozess) vorgelegt wurden, „vorgreifend“ würdigen. Obgleich die meisten Zeugen noch gar nicht gehört wurden, meint – wie berichtet– der Senat, dass bei den Angeklagten kein dringender Tatverdacht vorliege – daher die Freilassung. Beispiele für den Vorwurf „vorgreifender Beweiswürdigung“ laut Anklagebehörde: eine (auf den Gerichtsakt gestützte) Feststellung der Richter, die sich auf Aussagen eines Zeugen bezieht, der noch gar nicht in den Zeugenstand getreten ist sowie die Annahme des Senats, wonach Telefondaten von kasachischen Stellen gefälscht worden seien, obwohl dieses Thema im Gerichtssaal noch nicht abschließend erörtert wurde. Und eine Schlussfolgerung des Senats, die sich auf widersprüchliche Auskünfte aus Kasachstan bezieht – Auskünfte, die aber mittlerweile geklärt sind.

Das OLG muss nun über die Vorwürfe entscheiden. Theoretisch könnte es die Angeklagten erneut in U-Haft nehmen lassen. Und den Richtersenat rügen. (m. s.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.05.2015)

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