Autofahrer, Radfahrer, Fußgänger: Wem gehört die Stadt?

Wiener Verkehrsmix (v. l.): Nikolaus Authried fährt mit dem Auto,Wilhelm Grabmayr schwört auf das Fahrrad, Martina Strasser kämpft für das Zufußgehen.
Wiener Verkehrsmix (v. l.): Nikolaus Authried fährt mit dem Auto,Wilhelm Grabmayr schwört auf das Fahrrad, Martina Strasser kämpft für das Zufußgehen.Die Presse
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Die neue Serie "Ideen für Wien" sammelt Vorschläge, wie die Bundeshauptstadt besser werden kann. Zum Auftakt: unterschiedliche Anregungen zum Thema Verkehr.

Was braucht Wien, um in den nächsten Jahren seine Attraktivität zu erhalten und zu steigern? In den kommenden Wochen wird im Rahmen der Serie „Ideen für Wien“ dieser Frage in verschiedenen Themenbereichen nachgegangen. Ab heute geht es – nicht zuletzt wegen möglicher Staus auf dem Weg in den Urlaub – zunächst um den Verkehr.

Zum Auftakt soll es um den Platz in der Stadt gehen. Zu wenig ist er immer, zu viel nur dann, wenn er den anderen, zu denen man sich selbst am allerwenigsten zählt, allein zur Verfügung steht. Die Autofahrer fühlen sich von Radfahrern bedrängt, diese wiederum gehen auch den Fußgängern auf die Nerven, wenn sie geteilte Geh- und Radwege nutzen oder gar auf dem Gehsteig fahren. Und die Radfahrer selbst? Sie finden, als Nutzer eines umweltfreundlichen und gesunden Fortbewegungsmittels sollten sich die Platzverhältnisse zu ihren Gunsten verschieben.

Wie gerecht sind die Verkehrsflächen in der Stadt verteilt? Während die Wiener 27 Prozent ihrer Alltagswege per Pkw zurücklegen (Modal Split 2014), stehen dem motorisierten Individualverkehr 65 Prozent der Verkehrsflächen der Stadt zur Verfügung (Daten der MA18, Stadtplanung), die übrigen 35 Prozent teilen sich Fußgänger, Radfahrer und öffentliche Verkehrsmittel. Verkehrsplaner Hermann Knoflacher (TU Wien) ortet ein massives Ungleichgewicht zugunsten des Autoverkehrs und zuungunsten der Fußgänger, auch wenn die Verteilung – zwei Drittel Auto/Lkw zu einem Drittel für den Rest – der Aufteilung in vergleichbaren Städten entspricht.

Freilich lassen sich die Anteile der Strecken, die auf eine Art zurückgelegt werden, nicht eins zu eins auf die Flächen umlegen – ist der Platzbedarf doch ganz unterschiedlich: Am platzsparendsten ist ein Fußgänger unterwegs, er braucht 0,8 Quadratmeter. Ein Autofahrer allein im Auto braucht 6,2 Quadratmeter, fährt er mit 40, braucht er 60 Quadratmeter.

Platzbedarf pro Person

0,8 Quadratmeter Platz braucht ein Bewohner Wiens im Schnitt, wenn er sich zu Fuß durch die Stadt bewegt – die platzsparendste Art, das zu tun.

Ein Autofahrer allein in seinem Pkw bei 40km/h braucht 75-mal so viel Raum, nämlich 60 m – die raumgreifendste Art der Bewegung in der Stadt. Teilt er sich das Auto mit vier Mitfahrern, sinkt der Platzbedarf pro Person auf 6,2 m (bei zehn km/h) und 20 m(40 km/h).

Im voll besetzen Bus sind es, wenn er langsam unterwegs ist, 3,1 m pro Person. Das entspricht dem Platzbedarf eines Radfahrers von ebenfalls drei m.

Am platzsparendsten unterwegs ist man – wenn nicht zu Fuß – in einer langsamen, voll besetzten Straßenbahn: Da braucht jeder einzelne Fahrgast 1,5 m. Fährt diese mit 40 km/h, werden es 4,6 m pro Fahrgast.

Sechsmal so viel Platz für Fußgänger

Im Schnitt, sagt Knoflacher, braucht ein Autofahrer in der Stadt sechsmal so viel Platz wie ein Fußgänger. Letztere seien am ehesten benachteiligt. Er spricht von Autofahrern als „dem verwöhnten Baby, dem im 20. Jahrhundert jeder Wunsch von den Lippen abgelesen wurde“.

Die Trendumkehr habe aber schon in den 1970er-Jahren begonnen – mit der Tendenz in Richtung Verkehrsberuhigung der inneren Bezirke und mehr Fußgängerzonen und Flächen für den Radverkehr. Damit entwickle sich die Flächenverteilung in Wien aus Sicht des Verkehrsplaners in eine gute Richtung. „Wien“, sagt Knoflacher, „steht hier sehr gut da. Internationale Verkehrsplaner wähnen sich hier im Schlaraffenland, während wir auf sehr hohem Niveau jammern, weil eine Straßenbahn ein paar Minuten später kommt.“ Aber klagen sollten wir auch weiter, meint der Experte, „damit das Verkehrsnetz noch besser, die Aufteilung noch fairer wird“.

Fußgänger, Radfahrer, Autofahrer und Nutzer des öffentlichen Verkehrs – sie alle haben unterschiedliche Vorstellungen davon, wie die Aufteilung fairer sein könnte.

„Die Presse am Sonntag“ hat Vertreter aus je einer Gruppe zu ihren Ideen befragt:

Forum: Ihre Ideen für Wien

Sie haben Ideen für Wien? In diesem Forum können Sie sie los werden. Schicken Sie uns Ihre Anregungen, Ideen, Verbesserungsvorschläge für die Stadt.

>> Zum Forum

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2015)

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