Viele Modeboutiquen, traditionelle Familienunternehmen und seit Kurzem auffallend viele Kindergeschäfte. Die Währinger Straße im 18. Bezirk ist eine beständige Straße – und spiegelt die Entwicklung im Bezirk wider.
Wien. Wenn Einkaufsstraßen das jeweilige Grätzel spiegeln, dann ist Währing vieles, aber vor allem eines: beständig. Denn wo sonst gibt es etwa ein Geschirrgeschäft, das seit 1919 besteht und nach wie vor von derselben Familie geführt wird? Oder aber eine Eisenwarenhandlung, die seit 1879 existiert und immer noch Schrauben einzeln verkauft? Natürlich hat sich die Währinger Straße auch gewandelt. Fragt man bei den Geschäftsleuten nach, hört man oft: zum Besseren.
Die Währinger Straße ist mit drei Kilometern eine der längsten Einkaufsstraßen Wiens. Eigentlich besteht sie ja aus zwei Straßen, die vom Gürtel getrennt werden. Jener Teil im neunten Bezirk (vom Schottentor bis zur Volksoper) ist natürlich auch die Währinger Straße, aber irgendwie doch eine eigene Welt. Nicht nur die Währinger denken bei der Währinger Straße eher an jenen Teil außerhalb des Gürtels. Und selbst hier trennt sich die rund einen Kilometer lange Straße in einen oberen und unteren Bereich. Interessanterweise wird die Währinger Straße nicht umso schicker, je mehr sie sich vom Gürtel entfernt. Im Gegenteil. Stadtauswärts erinnert sie kaum an eine Einkaufsstraße: Pizzeria Romantico, Studio 167a und die Hexen Kuchl passen kaum in das Bild des Bezirks. Einzig das Slow Craft, eine Mischung aus Werkstatt und Geschäft, in dem Schuhe, Wolle und Kunst produziert werden, fällt aus der Reihe.
Ganz anders ist hingegen die Währinger Straße zwischen Aumannplatz und Kutschkermarkt oder eben Gürtel. Hier gibt es vor allem elegante Modegeschäfte, Juweliere, die berühmte Buchhandlung Hartliebs und immer mehr Kindergeschäfte. Letztere sind ein Hinweis darauf, dass mehr Jungfamilien den Bezirk für sich entdecken. Das Angebot reicht von günstigeren Anbietern bis hin zu teuren Kindermodenboutiquen, die Anlassmode für Taufen, Hochzeiten oder Ähnliches bieten. „Richtung Aumannplatz ist die Währinger Straße ein Mekka für Kinder und Familien“, sagt Michael Richter, Obmann des Währinger Wirtschaftsvereins. Er beurteilt die Einkaufsstraße als beständig, „wobei es in den Randbereichen wie beim Gürtel eine stärkere Fluktuation gibt“. Er würde sich ein bisschen mehr Gastronomie wünschen. Dass das Aumann zugesperrt hat, tue den Geschäftsleuten schon weh. Auch Buchhändlerin Petra Hartlieb würde sich ein Café oder ein Deli, das die Bewohner vor allem mittags versorgt, wünschen. „Die Straße ist sehr beständig. Aber die Bewohner haben sich verändert, es gibt mittlerweile viele Familien. Das Einzige, was hier fehlt, ist ein richtig cooler Laden für Junge“, sagt Hartlieb.
120.000 Artikel auf Lager
In den Augen von Elisabeth Reiter, die derzeit urlaubsbedingt ihren Bruder Josef Schramm im Geschirrgeschäft Binder-Schramm vertritt, hat sich die Straße hingegen stark gewandelt. Wobei sie bei einem Familienbetrieb, der bald sein 100-jähriges Bestehen feiert, in Jahrzehnten rechnet. Das Geschäft allerdings sei beständig. Auch wenn heute zwar keine Sitzbadewannen und Ofenrohre mehr verkauft werden, läuft der Familienbetrieb, der 120.000 Artikel auf Lager hat, nach wie vor. „Mit Aufkommen des Internets war ein bisschen ein Rückgang spürbar“, sagt Reiter. Nachdem ihr Bruder aber eine Website eingerichtet hat, auf der man sich durch das Sortiment klicken kann, kommen auch Leute aus Niederösterreich, um etwa einen Dichtungsring für einen Kochtopf zu kaufen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2016)