Gewaltvideo, ein Testfall für Facebook

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Wo liegen die Grenzen von Facebook – wo die einer 15-Jährigen? Ein Prügelvideo als Lehrbeispiel.

Wien. Eine 15-Jährige wird von anderen Jugendlichen umringt und brutal geschlagen. Das Mädchen wehrt sich nicht. Es erleidet einen Kieferbruch. Die Täter fertigen ein Handyvideo an – dies ist offenbar inhärenter Bestandteil des „Rituals“. Prompt landet das Video auf Facebook, wird millionenfach gesehen. Die entstandenen Rechtsfragen dürften Anwälte noch jahrelang beschäftigen.

Fast eine Woche hat es gedauert und Druck seitens des Justizministeriums gebraucht, bis Facebook, das mit 1,8 Milliarden aktiven Nutzern weitaus größte soziale Internet-Netzwerk der Welt, das Video sperrte. Bis dahin war es fünf Millionen Mal angeklickt und zehntausendfach kommentiert worden. Das Video verstoße nicht gegen die „Gemeinschaftsstandards“, hatte es tagelang lapidar geheißen.

Wer kann für Verstöße gegen den (im Urheberrecht geregelten) Bildnisschutz verantwortlich gemacht werden? Wer haftet bei Verstößen gegen das Medienrecht, etwa dann, wenn der Schutz vor Bekanntgabe der Identität eines Opfers nicht berücksichtigt wurde? Grundsätzlich der Medieninhaber, und das ist bei Facebook der „Veröffentlicher“, also der, der das Video online gestellt hat. Sowohl bei Verletzung des Bildnisschutzes (zivilrechtliche Frage) als auch wegen Identitätspreisgabe (Strafrecht) könnte das Opfer Entschädigungszahlungen begehren.

Ein 15-jähriges Opfer als „Covergirl“

Aber: Offenbar bestanden von Opferseite gar keine Einwände gegen die Veröffentlichung des Gewaltvideos, half dieses doch, die Täter ausfindig zu machen. Es bleibt aber die Frage: Wäre es ohne die Video-Inszenierung überhaupt zu dieser Art der auf offener Straße ausgetragenen Misshandlung gekommen? Gewiss: Bei Zustimmung zu einer Bildnisveröffentlichung, so erklärt der auf Medienrecht spezialisierte Wiener Anwalt Albrecht Haller, entfällt ein „schutzwürdiges Interesse“, das der Identifizierung im Weg stehen könnte. Mittlerweile hat sich das 15-jährige Opfer äußerst offensiv in die Öffentlichkeit begeben. Es zierte groß die Seiten von Boulevardzeitungen. Laut Judikatur ist zu vermuten, dass jemand ab Vollendung des 14. Lebensjahres einsichtsfähig ist und die Folgen einer Veröffentlichung abschätzen kann – vorbehaltlich einer Einzelfallprüfung.

Einwilligung der Eltern zählt nicht

Wie sieht es aus, wenn Eltern für Minderjährige ihre Einwilligung zum Gang in die Medien erteilen? Anders, als man meinen möchte: Laut OGH (1 Ob 222/12x) handelt es sich um „höchstpersönliche Rechte“. Diese seien mit einer gesetzlichen Vertretung „unvereinbar“. Sprich: Betroffene Jugendliche müssen für sich selbst entscheiden – müssen selbst einsichtig genug sein.

Rein strafrechtlich ist freilich auch einiges drin: Abgesehen von der Verfolgung der Täter wegen schwerer Körperverletzung, versuchen die Grünen sowohl Facebook-Gründer Mark Zuckerberg als auch das Unternehmen selbst vor Gericht zu bringen. Per Verbandsklage. Laut Mediensprecher Dieter Brosz könnte der Cybermobbing-Paragraf (es geht dabei quasi um fortgesetzte, öffentliche Verletzung der Ehre) zum Tragen kommen.

Ein etwaiges Ermittlungsverfahren müsste dann die internen Strukturen des sozialen Netzwerks prüfen. Würden diese strafbaren Handlungen Vorschub leisten, könnte eine Geldbuße drohen, so Brosz. Hinsichtlich der teils beleidigenden, teils hasstriefenden Kommentare, die ebenfalls auf Facebook zu lesen sind, meint der Mediensprecher: „Facebook wird zur weltweit größten Hassplattform und ist unfähig, dagegen geeignete Maßnahmen zu ergreifen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2016)

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