Obdachlose: Immer wieder Tote in improvisierten Quartieren

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Nach dem Brand in Oberlaa ist eine Frau tot, ein Mann lebensgefährlich verletzt. Immer wieder sterben Obdachlose bei Bränden. Die Lage in den Notquartieren ist heuer prekär, in dieser Nacht wären aber Plätze frei gewesen.

Wien. Eine Frau ist tot, ein Mann ist in lebensbedrohlichem Zustand im AKH – wer die beiden Obdachlosen sind, die Montagabend in Favoriten in Brand geraten sind, weiß man noch nicht. Fest stehen dürfte, wie es zu dem Brand gekommen ist: Die beiden hatten bei einer Tankstelle auf der Laaer-Berg-Straße anderthalb Liter Benzin gekauft, offenbar, um als Abhilfe gegen die Kälte ein Lagerfeuer unter der Fußgängerbrücke beim Bergtaidingweg anzuzünden.

Die Feuerwehr vermutet, dass die beiden das Benzin über das Brennholz geleert haben, sich eine Dampfwolke gebildet hat, und es beim Anzünden dann zu einer gigantischen Stichflamme kam, die auf das Gewand der beiden übergegriffen haben dürfte. Die Frau starb an Ort und Stelle, ihr Begleiter rannte brennend zu einem Parkplatz. Anrainer versuchten, die Flammen mit einer Decke zu löschen. Der Mann wurde lebensgefährlich verletzt. Es ist nicht der erste tragische Fall dieser Art.

Immer wieder sterben Obdachlose bei Bränden in Abbruchhäusern und ähnlichen improvisierten Quartieren: In der Nähe dieser Brücke, im Kurpark Oberlaa, sind 2015 bei einem Brand fünf Obdachlose ums Leben gekommen. Sie hatten in einer alten Mostschenke den Feststoffbrennofen entfacht. Ebenfalls 2015 sind zwei Obdachlose bei einem Feuer in einem alten Waggon in Favoriten ums Leben gekommen. 2013 entdeckte die Feuerwehr in Graz eine Leiche in einem Abbruchhaus, der Mann dürfte beim Rauchen eingeschlafen sein. Auch 2012 und 2011 kam es in Wien zu ähnlichen Bränden mit Toten.

Die Frage nach dem Warum

Warum verunglücken Obdachlose beim Versuch, Winternächte draußen oder in Abbruchhäusern mithilfe von Feuern zu überstehen, während Wiens Stadtpolitiker stets das Motto ausgeben, in Wien müsse niemand draußen schlafen? Im Fall vom Montag weiß noch niemand, warum die beiden in keiner Notschlafstelle waren. Identitäten und Hintergründe sind unbekannt. Fest steht, obwohl der Bedarf an Quartieren heuer groß ist wie noch nie und Quartiergeber gerade in eiskalten Nächten wie vorige Woche von einer prekären Lage, Vollbelegung und rasch eröffneten zusätzlichen Notschlafstellen berichten: In der Nacht auf Dienstag wären Betten frei gewesen. Vom Fonds Soziales Wien (FSW), der die gut 1000 Notschlafplätze, die derzeit zur Verfügung stehen, koordiniert, heißt es, die Quartiere seien in der Nacht zu 88 Prozent belegt gewesen. Es waren also 123 Plätze frei, darunter vier Plätze für Paare.

Trotz freier Plätze gehen Hilfsorganisationen davon aus, dass einige Hundert Menschen draußen schlafen. Die Gründe sind vielschichtig: Es gehe um psychisch Kranke oder Menschen, die aus anderen Gründen die Enge in Notquartieren nicht ertragen. Manche berichten von schlechten Erfahrungen in Notschlafstellen – oder dass es ihnen nicht möglich sei, vorgegebene Regeln einzuhalten. Auch Plätze für Paare oder für Obdachlose mit Hunden sind manchmal schon ausgebucht.

22 neue Wärmestuben

Straßen-Sozialarbeiter versuchen, Obdachlose draußen mit Schlafsäcken zu versorgen – im Fall der Brücke in Oberlaa war offenbar nicht bekannt, dass sich dort öfter jemand aufhält. Der FSW will mit der Polizei herausfinden, welche abgelegenen Plätze wie dieser genutzt werden, damit diese betreut werden können. Am Dienstag, nach Bekanntwerden des Todesfalls, gab es dazu bereits eine Besprechung mit Wiens Polizeispitze.

Die Caritas ruft auf, beim Kältetelefon (01/480 45 53) zu melden, wenn man Obdachlose sieht. Der Brand zeige, wie hoch der Bedarf an Quartieren ist. Die Caritas hat ein zusätzliches Entlastungsangebot geschaffen: 22 Pfarren und Vereine haben Wärmestuben eingerichtet, die tagsüber als Ergänzung zu Notquartieren offen sind. (cim)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2017)

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