Das ewige Vorbild Schweden

Wie die erfolgreiche Familienpolitik in dem skandinavischen Land dazu geführt hat, dass die Geburtenrate steigt.

„Wir hatten keine Probleme, unsere drei Kinder mit eineinhalb Jahren in den Kindergarten zu schicken, der Platz wird ja garantiert. Zudem haben meine Freundin und ich auch die langen Elternzeiten in Anspruch genommen“, sagt der Stockholmer Jazzfestivalchef, Erik Birath (39), in der U-Bahn. Auch seine Frau, Åsa (42), arbeitet Vollzeit und reist als Modedesignerin bei H&M viel.

Alles lief ziemlich rund. Schweden ist EU-weit besonders erfolgreich bei der Vereinbarung von Beruf und Familie und wird gern als Vorbild genannt. „Ein Traumland, um Kinder zu kriegen!“, hört man EU-Einwanderer oft schwärmen. Mit rund 3,1 Prozent des BIPs für Finanzleistungen für Kinder und Familien liegt Schweden in der EU (mit einem Durchschnitt von 2,2%) mit an der Spitze. Das Land benötigte seine Frauen schon frühzeitig im Arbeitsleben. 2012 lag die Beschäftigungsquote der Frauen mit 71,8 Prozent fast so hoch wie die der Männer mit 75,6 Prozent. Dennoch ist die Geburtenrate seit den Neunzigerjahren kräftig von 1,5 auf 1,9 Kinder pro Frau im Jahr 2014 angestiegen.

Das schwedische Familienpolitikmodell steht auf drei Säulen: Erstens werden beide Elternteile individuell besteuert. Es gibt also keinen finanziellen Anreiz dafür, dass der Mann, der in der Regel auch in Schweden mehr verdient als die Frau, arbeitet und die Frau den Haushalt führt. Zweitens ist das Kinderbetreuungssystem in Schweden erschwinglich, komplett von der Krippe bis zum Uni-Abschluss ausgebaut und mit zahlreichen staatlichen Kinder-, Schüler- und Studentengeldern untermauert.

Kleinkinder werden meistens direkt nach der Elternzeit im zweiten Lebensjahr in Kindergärten gegeben, die ein hohes Ansehen genießen. Das Recht auf einen Kindergartenplatz ab dem ersten vollendeten Lebensjahr nehmen heute knapp 90 Prozent der Eltern in Anspruch.

Günstig. Vorschulerzieher, sprich Kindergartenpädagogen, werden anders als in Österreich an der Hochschule ausgebildet. Die Kindergärten sind auch leistbar: Wer einen Vollzeitplatz für sein Kind in Stockholm wünscht, bezahlt derzeit drei Prozent des Einkommens beider Eltern bis zu maximal 1287 Kronen (134 Euro) im Monat. Beim zweiten Kind sind es zwei Prozent, beim dritten ist es nur noch ein Prozent. Zusätzliche Gebühren zu verlangen (wie es in Wien trotz Gratiskindergartens bei privaten Trägern auch üblich ist) ist verboten. Die Kindergärten in Stockholm müssen im Bedarfsfall mindestens von 6.30 bis 18.30h geöffnet sein. Die Vollzeitversorgung endet nicht im Kindergarten: Das Recht auf ganztägige Betreuung besteht bis zum zwölften Lebensjahr.

Eine weitere Säule der kinderfreundlichen Familienpolitik ist das einkommensabhängige Elterngeld. Es beträgt derzeit 80 Prozent des Einkommens für die ersten 13 von insgesamt 16Monaten. Jeder Elternteil muss mindestens 60 Tage beim Kind sein, sonst verfällt diese Zeit. Diese erzwungene Schnupperzeit hat zu deutlich mehr Männern, die sich um Haus und Kinder kümmern wollen, als im Rest der EU geführt. Auch am Arbeitsplatz ist das Wegbleiben von Männern für die Kinderbetreuung immer akzeptierter.

In Zahlen

In Schweden, das als eines der familienfreundlichsten Länder der Welt gilt, ist die Geburtenrate in den vergangenen Jahren auf 1,9 Kinder pro Frau gestiegen.

In Österreich liegt sie bei 1,44 (Stand: 2013), der EU-Schnitt beträgt 1,53.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2015)

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