US-Streitkräfte öffnen Kampfeinheiten für Soldatinnen

(c) Reuters (SHANNON STAPLETON)
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US-Verteidigungsminister Leon Panetta beendet Diskriminierung von Frauen. Frauen dürften demnach künftig nicht mehr aufgrund ihres Geschlechts vom Dienst in Kampfeinheiten ausgeschlossen werden.

Washington. Als irakische Aufständische am 12. November 2004 ihren Black-Hawk-Hubschrauber abschossen und sie beide Beine, die Hälfte des Blutes in ihrem Körper und beinahe ihren rechten Arm verlor, hatte Majorin Tammy Duckworth bereits 120 Stunden Kampfeinsatz während ihres achtmonatigen Einsatzes hinter sich. Seither pflegt sie die Behauptung, Frauen hätten in den Kampfeinheiten der Streitkräfte nichts verloren, mit dem trockenen Hinweis zu parieren: „Ich hab' meine Beine nicht bei einer Wirtshausrauferei verloren, sondern im Kampf.“

Ein Schicksal, das Duckworth mit beinahe 900 Invalidinnen der Kriege im Irak und Afghanistan teilt. Mehr als 150 Frauen sind zudem laut Statistik des Verteidigungsministeriums an diesen beiden Kriegsschauplätzen im Einsatz getötet worden. Doch streng genommen ließen viele dieser Soldatinnen in einer rechtlichen Grauzone ihr Leben. Denn nur in der Luftwaffe, Marine, Küstenwache und bei den Luftwaffeneinheiten der US-Army dürfen Frauen in den Kampf ziehen. In allen Infanterie-, Artillerie-, gepanzerten und Spezialeinheiten ist Frauen die Zuteilung zu Truppen, deren Hauptzweck die direkte Bekämpfung des Feindes ist, verboten. Das betrifft rund 240.000 Posten beziehungsweise ein Fünftel aller Jobs in den Streitkräften. Und es behindert Frauen massiv in der militärischen Karriere: Denn Kampfeinsätze und die dabei errungenen Ehren beschleunigen Beförderungen.

„Frauen im Kampf sind Stärke“

In der Praxis wird dieses Verbot für Soldatinnen seit Jahren umgangen; die Notwendigkeiten des Krieges machen das unumgänglich. „Ich war fünf Monate lang jeden Tag an der Front“, beschrieb zum Beispiel die Militärpolizistin Dawn Halfaker im Interview mit dem Nachrichtensender CBS ihren Einsatz im Irak.

Insofern ist die Anordnung von US-Verteidigungsminister Leon Panetta, dass Frauen künftig nicht mehr aufgrund ihres Geschlechts vom Dienst in Kampfeinheiten ausgeschlossen werden dürfen, eine verspätete Anerkennung der Tatsachen auf den Schlachtfeldern der amerikanischen Kriege. „Frauen im Kampf zu haben ist eine Stärke“, sagte Panetta am Donnerstag bei der Ankündigung seiner Maßnahme. Bis Ende 2015 müssen die einzelnen Truppenverbände sie umsetzen.

Der scheidende Chef des Pentagons folgt damit dem dringenden Rat seiner Generäle. „Die Zeit ist gekommen, den Ausschluss von Frauen vom direkten Kampfeinsatz zu beenden und alle unnötigen geschlechtsbezogenen Hürden zum Militärdienst zu eliminieren“, zitiert die „Washington Post“ aus einem Brief von General Martin Dempsey, dem Oberkommandierenden der US-Streitkräfte, vom 9.Jänner dieses Jahres.

Eine Entscheidung, die auch von der Sorge vor einer möglichen Verurteilung wegen gesetzwidriger Benachteiligung von Frauen getragen ist. Im Mai und November vergangenen Jahres hatten Soldatinnen bei Gerichten in Kalifornien und Washington entsprechende Klagen gegen das Verteidigungsministerium eingebracht.

In der Praxis werden Frauen viele Posten dennoch verwehrt bleiben – allerdings aus sachlichen, nicht aus sexistischen Gründen. Die Marines haben zum Beispiel 2011 ihre Infanterieoffiziersschule für Frauen geöffnet; die ersten beiden Bewerberinnen schieden aber aus. Infanteristen der US-Army wiederum müssen knapp 32 Kilogramm Marschgepäck tragen können; einsatzbedingt können das bis zu 50 Kilogramm werden.

Soldatinnen schon im Bürgerkrieg

Dennoch trägt Panettas Entscheidung dem patriotischen Antrieb vieler Amerikanerinnen Rechnung. Laut Umfrage des Pew Research Center ist das für 82 Prozent der Soldatinnen der Hauptgrund, sich zu verpflichten. Das war übrigens für rund 400 Frauen schon während des US-Bürgerkriegs von 1861 bis 1865 der Anlass, als Männer verkleidet ins Feld zu ziehen. Frances Clayton etwa kämpfte zur Jahreswende 1862/63 in der Schlacht von Murfreesboro unter dem Decknamen „Jack Williams“ an der Seite ihres Ehemannes.

Tammy Duckworth, die heute im Kongress sitzt, ist jedenfalls hochzufrieden: „Die Töchter Amerikas sind genauso fähig wie ihre Söhne, die Freiheit zu verteidigen“, resümierte sie auf Twitter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2013)

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