Nahost-Vermittler: Alte Allianzen und neue Partner

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Ägyptens schwerer Stand als Vermittler gegen Rivalen wie Türkei und Katar.

Eigentlich hatte John Kerry ja gehofft, auf einen neuerlichen Nahost-Trip verzichten zu können. In den ersten 15 Monaten seiner Amtszeit war der US-Außenminister so oft zwischen Jerusalem und Ramallah hin- und hergependelt, dass andere Krisenherde der Weltpolitik in seinem Reisekalender in den Hintergrund rückten – von Afghanistan über Syrien bis zur Ukraine. Mancherorts zerrissen sich Experten den Mund über Kerrys Nahost-Schwerpunkt. Und die Skeptiker sollten letztlich auch recht behalten, als seine Friedensinitiative im Frühjahr implodierte.

Noch bei seinem Wien-Besuch im Zuge der Atomverhandlungen mit dem Iran in der Vorwoche hielt sich Washingtons Chefdiplomat bereit für eine Krisenintervention im jüngsten Nahost-Krieg zwischen Israel und der Hamas. Im Vertrauen auf eine Vermittlungsmission Ägyptens stornierte Kerry indessen seine Reise nach Kairo. Ägyptens Vorschlag für einen Waffenstillstand zerbrach aber an der Ablehnung der militanten Islamisten im Gazastreifen, und eine Woche später sondierte der US-Außenminister in Kairo mit Präsident Abdel Fatah al-Sisi erst recht die Möglichkeiten für eine Waffenruhe. Den unermüdlichen Krisendiplomaten hatte es nicht mehr in Washington gehalten.

Abgerissener Draht zur Hamas

Die Sache ist allerdings weitaus komplizierter als beim letzten Gaza-Krieg vor zwei Jahren – und nicht nur deswegen, weil sich Kerry in Ägyptens Präsidentenpalast einem Sicherheitscheck unterziehen musste. Als die Gesprächskanäle zwischen Kairo und Gaza noch intakt waren, sprach Kerrys Vorgängerin Hillary Clinton bei Präsident Mohammed Mursi vor. Als Exponent der Muslimbrüder verfügte Mursi über exzellente Kontakte zur Hamas, und die Islamisten – quasi „Brüder“ der Muslimbrüder – willigten in einen Waffenstillstandspakt ein. Seit dem Putsch in Kairo im Vorjahr sitzt Mursi in Haft, der Draht der Militärregierung in Kairo zu den Extremisten im Gazastreifen ist weitgehend abgerissen.

Al-Sisi und seine Generäle bekämpfen die Fundamentalisten an allen Fronten, und es hat den Anschein, als würden sie die Hamas durchaus noch ein wenig schmoren lassen. Diese Strategie trifft sich mit jener Israels, das darauf abzielt, die „Terrortunnel“ auszuräuchern. Laut israelischem Militär könnte der mit hohem Aufwand geführte Kampf durchaus noch einige Tage andauern. Es ist ein Kampf gegen die Zeit, zumal der Aufschrei der internationalen Öffentlichkeit über die hohe Opferzahl mit jedem Tag an Lautstärke zunimmt.

Konkurrenz der Makler

Ägyptens exklusive Rolle als Makler im Nahen Osten, kultiviert unter Hosni Mubarak und seinem langjährigen Geheimdienstchef Omar Suleiman, hat zuletzt jedoch gelitten. In der arabischen Welt ist Konkurrenz auf den Plan getreten, durch die Region zieht sich seit Beginn des Arabischen Frühlings ein Riss: Der Allianz aus Ägypten, Jordanien und Saudiarabien steht eine neue Achse gegenüber.

Länder wie die Türkei oder Katar bringen sich neuerdings als Mediatoren im Nahost-Konflikt ins Spiel. Deren Beziehungen zu Kairo sind vergiftet, seit Katar den ägyptischen Islamisten unter die Arme greift und ausgerechnet der türkische Premier Erdoğan Präsident Sisi als „Tyrann“ apostrophiert hat. Erdogan gilt wiederum als Freund Khalid Mashals, des Exil-Chefs der Hamas mit Sitz in Doha.

So avancierte zuletzt Doha, die Hauptstadt des Golf-Emirats Katar, zu einem Kristallisationspunkt der Gespräche. Über einen Umweg via Ankara nahm Palästinenser-Präsident Mahmoud Abbas dort Kontakt mit Mashal auf. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki-moon reiste zum Auftakt seiner Nahost-Mission erst nach Katar, an den Persischen Golf.

Das Emirat hat seine Fühler in die gesamte Region ausgestreckt: Es finanziert islamistische Gruppen von den Muslimbrüdern bis zu den Rebellen in Syrien, sowie den Nachrichtensender al-Jazeera, der sich längst als Anti-CNN der arabischen Welt etabliert hat. Vor allem unterstützen die Scheichs mehr oder weniger offen die Hamas, als neutrale Mittler ist ihre Position von vornherein unterminiert.

Die Fundamentalisten im Gazastreifen kommen so indes in die Lage, die Unterhändler und ihre Vorschläge gegeneinander auszuspielen. Im Fall Ägyptens haben sie dies vorexerziert. Die Ägypter hätten sie nicht über ihren Plan informiert, gaben sie vor; sie hätten darüber lediglich via Medien erfahren. Währenddessen hat Israels Premier Benjamin Netanjahu den Waffenstillstand umgehend akzeptiert.

Die neue Ausgangslage hat somit auch die Einflussmöglichkeiten John Kerrys und seinen Radius eingeschränkt. Ein Treffen des US-Außenministers mit Khalid Mashal in Doha ist nicht denkbar, zumal die USA die Hamas offiziell als Terrororganisation eingestuft hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2014)

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