Ukraine-Konflikt: Moskau wettert gegen „destruktive“ Strafen

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Erste russische Gegenmaßnahme ist ein Importverbot für Obst und Gemüse aus Polen.

Brüssel/Wien. Die Nachricht kam ohne Vorwarnung, eine Überraschung war sie allerdings nicht: Ab dem morgigen Freitag darf Polen kein Obst und Gemüse mehr nach Russland exportieren, teilte die russische Lebensmittelbehörde am Mittwoch in einem dürren Schreiben mit, in dem von „wiederholten“ Verstößen gegen phytosanitäre Vorschriften die Rede war. Man sei über die Maßnahme nicht vorab informiert worden, sagte ein Sprecher der EU-Kommission gestern. Die Brüsseler Behörde werde das Einfuhrverbot nun umgehend untersuchen.

Der Überraschungseffekt hielt sich aus drei Gründen in Grenzen: Erstens zählt Polen innerhalb der EU zu jenen „Falken“, die Russland mittels möglichst weitreichender Wirtschaftssanktionen aus der Ostukraine vertreiben wollen. Zweitens hat die EU am Dienstag erste weitreichende Strafmaßnahmen gegen die russische Wirtschaft angekündigt. Und drittens ist es in Russland Usus, unliebsame Handelspartner mit Schikanen zu traktieren – so hat der US-Konzern McDonald's in Russland momentan eine Untersuchung wegen einer angeblichen Verletzung der Normen für Nährstoffe am Hals, seit vergangener Woche sind auch ukrainische Milchprodukte in Russland nicht mehr erwünscht.

Mit dem europäischen Grundsatzbeschluss vom Dienstag hat sich der Konflikt um das russische Vorgehen in der Ostukraine auf die ökonomische Ebene verlagert. Am Mittwoch wurde in Brüssel und den EU-Hauptstädten an den Details des Gesetzestexts gefeilt, der am heutigen Donnerstag im EU-Amtsblatt publiziert werden soll. Die Europäer nehmen zum ersten Mal seit dem Ausbruch der Ukraine-Krise im Februar und der Annexion der Krim durch Russland im März ganze Bereiche der russischen Wirtschaft ins Visier. Wobei die Aktion kein Selbstzweck sei, wie der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier gestern in Berlin betonte. „Sanktionen allein sind noch keine Politik“, man müsse weiter nach einer geordneten Lösung des Konflikts zwischen Moskau, Kiew und dem Westen suchen.

Das für heute, Donnerstag, angekündigte Paket besteht aus drei Elementen: einem Waffenembargo, einem Exportverbot von Hightechgütern, die militärisch (Dual Use) sowie bei der Förderung von Erdöl genützt werden können, sowie Restriktionen für russische Banken. Finanzinstituten, die vom russischen Staat kontrolliert werden, soll der Verkauf von Schuldscheinen mit einer Laufzeit von mehr als 90 Tagen an EU-Investoren verboten werden, zudem dürfen europäische Finanzdienstleister nicht als Broker für sie tätig sein. Diese Regelung dürfte allerdings ein Schlupfloch haben, denn sie wird aller Voraussicht nach nicht für die ausländischen Töchter der betroffenen Banken gelten.

Sanktionen gegen zwei Putin-Vertraute

Auch die sieben führenden Industriestaaten (G-7) drohen Russland mit weiteren Sanktionen. "Russland hat immer noch die Möglichkeit, den Weg der Deeskalation einzuschlagen, was zu einer Aufhebung der Sanktionen führen würde", hieß es in einer am Mittwoch vom Weißen Haus in Washington verbreiteten Erklärung der G-7.

Indes wurde bekannt, dass die nunmehr ausgeweiteten EU-Sanktionen sich auch gegen zwei enge Vertraute des russischen Präsidenten Wladimir Putin richten. Die Kontosperrungen und Einreiseverbote treffen die beiden Hauptanteilseigner der Rossija-Bank, teilte die EU am Mittwoch mit. Auf der im Amtsblatt der EU veröffentlichten Sanktionsliste stehen insgesamt acht Einzelpersonen und drei Unternehmen.

Drohen und beschwichtigen

Nach Schätzungen von Morgan Stanley haben die russischen Staatsbanken in den kommenden zwölf Monaten einen Refinanzierungsbedarf von knapp 25 Mrd. Euro. Die USA sind keine Option, denn Washington hat die russischen Institute VTB (Russlands zweitgrößte Bank), Gazprombank, Bank of Moscow, Russian Agricultural Bank sowie die staatliche Investitionsbank VEB von weiten Teilen des US-Finanzmarkts verbannt – sie dürfen sich dort nicht mehr längerfristig finanzieren. Die einzige große Staatsbank, die von der USA noch nicht zum direkten Ziel gemacht geworden ist, ist die Sberbank, an deren Spitze der ehemalige russische Wirtschaftsminister und Putin-Intimus German Gref steht, und deren Aktienkurs an der Moskauer Börse gestern kräftig zulegte.

In Moskau reagierte man auf die verschärfte Gangart des Westens mit Drohgebärden und Beschwichtigungen. Das Vorgehen des Westens sei „antirussisch“, „unfähig“, „destruktiv und kurzsichtig“ und würde „sehr konkrete“ Konsequenzen nach sich ziehen, warnte das russische Außenministerium Mittwochnachmittag. Die gegen Moskau gerichteten Vorwürfe seien „an den Haaren herbeigezogen“. Zeitgleich kündigte die russische Zentralbank „adäquate Maßnahmen“ zur Stützung der von Sanktionen betroffenen Institute an.  (la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2014)

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