Barack Obama feuert Verteidigungsminister Hagel

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Der Vietnamveteran Chuck Hagel sollte Amerikas Militär nach Ende der Kriege im Irak und Afghanistan schrumpfen. Er konnte sich gegen die Clique im Weißen Haus nicht durchsetzen.

Nach dem Debakel bei den Kongresswahlen im November 2006 trat Donald Rumsfeld als US-Verteidigungsminister in der Regierung von George W. Bush zurück. Acht Jahre später hat sich dieses Phänomen wiederholt: Am Montag erklärte Präsident Barack Obama, dessen Demokraten vor drei Wochen eine heftige Wahlniederlage erlitten hatten, den Rücktritt seines Verteidigungsministers Chuck Hagel.

„Chuck Hagel war ein außergewöhnlicher Verteidigungsminister“, sagte Obama am Montag. „Er versteht unsere Männer und Frauen in Uniform wie kein anderer. Er war im Dreck, und er war im Schlamm.“ Hagel, der neben dem Präsidenten stehend sichtlich um Fassung rang, nannte seine knapp 21 Monate im Pentagon „das größte Privileg meines Lebens“ und erklärte, er werde bis zur Ernennung eines Nachfolgers weiterhin die Geschäfte führen. Im Gespräch ist in erster Linie Michèle Flournoy, eine enge Vertraute Obamas, die von 2009 bis 2012 als stellvertretende Staatssekretärin im Pentagon gearbeitet hatte.

An Bürokratie gescheitert

Sowohl Rumsfeld als auch Hagel scheiterten an der Eigenmacht der Bürokratie im Pentagon und den grundlegend geänderten Ansprüchen ihrer Präsidenten. Hier enden jedoch die Parallelen. Rumsfeld war von Anfang an einer der Schlüsselspieler in Bushs Präsidentschaft und einer der wichtigsten Architekten der Invasionen in Afghanistan und im Irak.

Hagel hingegen, ein Vietnamveteran und der erste US-Verteidigungsminister, der sich vom Rang eines einfachen Rekruten ins Pentagon hochgearbeitet hatte, kam erst sehr spät in Obamas Regierung. Als Nachfolger von Leon Panetta sollte er ab Anfang 2013 Obamas zentrales Wahlkampfversprechen – und den Hauptgrund für seinen Wahlsieg fünf Jahre zuvor – umsetzen: die Abwicklung der beiden nahöstlichen Bush-Kriege und die sich daraus ergebende Verkleinerung der US-Streitkräfte.

Doch schon bald stand Hagel, der mit Obama im Senat eine parteiübergreifende Freundschaft begründet hatte, in starkem Gegenwind. Das Pentagon erwies sich als kaum zu reformierende bürokratische Schlangengrube, die jeden Sparvorschlag des Ministers mit an die Presse hinausgespielten Indiskretionen und schrillen Alarmmeldungen über die angebliche Schwächung der nationalen Sicherheit zu sabotieren verstand.

Zudem musste Hagel rasch erkennen, dass die Sicherheits- und Außenpolitik unter Obama nicht im Dreieck zwischen Präsident, Pentagon und Außenministerium gemacht wird, sondern fast ausschließlich von einer kleinen Clique ergebener Obama-Anhänger und Einflüsterer im Weißen Haus. An dieser Missachtung der Diplomaten und Militärexperten sind vor Hagel schon politische Kaliber wie Richard Holbrooke gescheitert, Obamas erster Sonderbeauftragter für Afghanistan und Pakistan. Hagel, der hoffte, als braver Befehlsvollstrecker Obamas Ohr zu haben, erlitt dasselbe Schicksal.

Offener Widerspruch zum Chef

Hagels Los wurde jedoch dadurch erschwert, dass sich die Bedingungen seines Auftrages schon zum Zeitpunkt seines Amtsantrittes radikal zu verändern begonnen hatten. Der Krieg gegen die Taliban ist mitnichten zu Ende, und der Aufstieg des „Islamischen Staates“ in Syrien und im Irak hat die USA zur Eröffnung eines Bombenkrieges und der Entsendung von mehr als 1500 „Militärberatern“ in die Irak bewogen. Während Obama noch heuer im Jänner meinte, diese Islamisten seien bestenfalls eine Amateurtruppe, erklärte Hagel sie ein paar Monate später zur „unmittelbaren Bedrohung all unserer Interessen“. Wer die sorgfältig gebürstete Botschaft des Präsidenten derart in Frage stellt, kann über kurz oder lang nur das tun, was Hagel am Montag machte: voll Dank und Stolz „zurücktreten“.

Auf einen Blick

Nach nicht einmal zwei Jahren endet die Amtszeit von US-Verteidigungsminister Chuck Hagel (68). Der einstige republikanische Senator und Veteran des Vietnamkrieges hätte den Rückbau der US-Streitkräfte nach dem Ende der beiden Kriege im Nahen Osten organisieren sollen: deren Ende ist nicht absehbar. Hagel führt die Amtsgeschäfte, bis ein Nachfolger ernannt ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2014)

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