Kurz in Bagdad: Kooperation im Kampf gegen den IS

AM KURZ IM IRAK: KURZ / AL-JAAFARI
AM KURZ IM IRAK: KURZ / AL-JAAFARI(c) AUSSENMINISTERIUM/DRAGAN TATIC (DRAGAN TATIC)
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Österreich und der Irak wollen einander im Kampf gegen Jihadisten helfen. Der irakische Außenminister wünscht sich eine österreichische Botschaft im Irak.

Österreich und der Irak wollen einander im Kampf gegen Jihadisten gegenseitig unter die Arme greifen. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) und sein irakischer Amtskollege Ibrahim al-Jaafari haben am Sonntag in Bagdad eine verstärkte Kooperation bei der Verfolgung von europäischen Kämpfern im Irak vereinbart. Geplant ist auch eine EU-Mission zur Polizeiausbildung für das Krisenland.

Kurz wies darauf hin, dass die rückkehrenden Jihadisten "eine massive Sicherheitsbedrohung" für Österreich und Europa seien. Die "Beweisbarkeit, dass sie Verbrechen begangen haben im Irak und Syrien, ist eine große Herausforderung für unsere Sicherheitsbehörden." Daher sei er Jaafari dankbar "für die Zusage einer verstärkten Kooperation im Kampf gegen das Phänomen der Foreign Fighters".

Jaafari erläuterte, dass die irakischen Sicherheitsbehörden aus Europa kommende "verdächtige Personen" observieren. Zugleich verlange Bagdad aber auch von den europäischen Staaten, "dass sie ihrerseits verdächtige Personen mehr kontrollieren und sie nicht frei in unsere Staaten ausreisen lassen".

EU-Polizeimission für den Irak

Kurz zeigte sich auch erfreut, dass die irakische Seite das Angebot einer EU-Polizeimission annehmen wolle. "Das ist ein Beitrag für mehr Sicherheit im Irak." Auf mehrere Nachfragen irakischer Journalisten zu Waffenlieferungen betonte der Außenminister jedoch, dass Österreich diesbezüglich aufgrund seiner Neutralität "nicht dieselben Möglichkeiten wie andere Staaten" habe. "Wir versuchen umso aktiver zu sein im humanitären Bereich", stellte der Außenminister weitere humanitäre Hilfszahlungen nach der in der Vorwoche freigegebenen 1,25 Millionen Euro für Flüchtlinge im Nordirak in Aussicht.

Jaafari strich in der gemeinsamen Pressekonferenz vor allem die Bedeutung einer engeren wirtschaftlichen Kooperation zwischen dem Irak und den EU-Staaten hervor. "Der Einstieg von europäischen Firmen in den irakischen Markt ist wichtiger als alles andere. Ein wirtschaftlich schwacher Irak kann auch keinen Terrorismus bekämpfen", betonte er.

Zu den irakisch-österreichischen Beziehungen sagte Jaafari, dass Wien und Bagdad "in der ersten Phase der Kooperation" seien. Er erwarte sich für die nähere Zukunft weitere Impulse uns setze auf die "jugendliche Energie" seines österreichischen Amtskollegen.

Österreichische Botschaft im Irak?

Konkret äußerte der irakische Außenminister den Wunsch, dass Österreich wieder eine Botschaft in Bagdad eröffne und die AUA Direktflüge in die irakische Hauptstadt aufnehme. Kurz sagte, dass beides geprüft werde, aber "stark mit der Sicherheitssituation zusammen" hänge. Zugleich berichtete er, dass die Oesterreichische Kontrollbank (OeKB) österreichische Investments im Irak mit entsprechenden Exportgarantien "wieder verstärkt fördern" wolle. Auch beim Kampf gegen die Korruption wolle Österreich - auf ausdrücklichen Wunsch Jaafaris - mit Expertise helfen.

Der vom Chef des außenpolitischen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok, begleitete Kurz wertete seinen Besuch als "Zeichen der österreichischen und europäischen Solidarität", dass der IS-Terror nicht ein Problem des Irak und Syriens alleine sei, "sondern eine globale Bedrohung". Es sei "die Pflicht von uns allen, hier einen Beitrag zu leisten", betonte der Außenminister. Wichtig sei es, dass sich auch muslimische Staaten an diesem Kampf beteiligen, zumal auch "die Masse der Opfer dieser Terroristen Muslime sind". "Das ist ein Kampf, den die christliche, jüdische und muslimische Welt gemeinsam führen muss."

Bedrohung "für die gesamte Welt"

Jaafari unterstrich ebenfalls, dass der Jihadismus eine Bedrohung "für die gesamte Welt" sei. "Ich bin mir gewiss, dass die europäischen Staaten diese Gefahr nun erkannt haben und interessiert daran sind, sie zurückzuweisen."

Brok betonte, dass es bei der Bekämpfung des IS-Terrorismus auch auf Arbeitsteilung ankomme. "Nicht jeder muss alles machen", sagte er mit Blick auf die Schwerpunktsetzungen Luftangriffe, Waffenlieferungen oder Ausbildung. Vor allem gehe es aber darum, "den ISIS-Kämpfern deutlich zu machen: Sie können nicht gewinnen". Daher sei er insbesondere über die Aussage Jaafaris erfreut, dass die irakische Regierung sich um Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und einen dezentralen Staatsaufbau bemühen wolle.

1,25 Millionen Euro Hilfsgelder

Österreich gehört zusammen mit rund 60 Staaten der internationalen Anti-IS-Allianz an und engagiert sich mit humanitärer Hilfe. Mit im Gepäck hat der Außenminister daher weitere 1,25 Millionen Euro an Hilfsgeldern für den Nordirak, mit denen das UNO-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR und das Rote Kreuz (IFRC bzw. IKRK) Hilfsgüter für insgesamt 190.000 Menschen anschaffen können.

Die Visite findet unter schärfsten Sicherheitsvorkehrungen statt. Zwar konnte die Zentralregierung mit Unterstützung der internationalen Luftangriffe gegen IS-Stellungen wieder Tritt fassen, doch ist die Lage immer noch äußerst instabil. Erst am Freitag starben bei einem Doppelanschlag in Bagdad mehr als 40 Menschen, die Fluglinie Emirates stellte nach dem Beschuss eines Passagierjets alle Flüge nach Bagdad ein. Die IS-Hochburg Falluja liegt nur eine Autostunde westlich von Bagdad.

Land versinkt im Chaos

Etwas sicherer ist die Lage in der kurdischen Autonomieregion im Nordirak, wohin sich infolge des IS-Vormarsches Hunderttausende Menschen geflüchtet haben. Am morgigen Montag wollte der Außenminister ein Flüchtlingslager im Nordirak besuchen und mit Yeziden-Vertretern sowie dem chaldäisch-katholischen Bischof von Erbil, Bashar Warda, sprechen. Außerdem standen Treffen mit dem kurdischen Präsidenten Masoud Barzani und dem "Außenminister" der Region, Mustafa Bakir Falah, auf dem Programm.

Für Sonntagabend war ein Treffen mit Premierminister Nechirvan Barzani und Auslandsösterreichern geplant. Am Abend will Kurz ins nordirakische Erbil weiterreisen, um unter anderem ein Flüchtlingslager zu besuchen. Abschluss der nur gut sechsstündigen Visite in Bagdad sollte ein Gespräch mit dem sunnitischen Parlamentspräsidenten Salim al-Jaburi sein.

Im Nordirak sind zahlreiche österreichische Unternehmen, darunter die OMV, aktiv. Die Kurdenregion, die schon seit Anfang der 1990er-Jahre eine international garantierte Autonomie hat, gilt als Stabilitätsanker im Irak. Zwölf Jahre nach dem Sturz des Langzeit-Diktators Saddam Hussein und drei Jahre nach dem Abzug der US-Truppen versinkt das Land im Chaos religiös begründeter Gewalt. Die Benachteiligung der sunnitischen Minderheit durch die schiitische Zentralregierung in Bagdad hat maßgeblich zum Aufstieg der Extremistenmiliz IS beigetragen, die bedeutende Teile des Irak und Syriens kontrolliert.

(APA)

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