Argentinien: Schweigemarsch gegen Kirchner

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In riesigen Kundgebungen prangerten argentinische Bürger die Politik der Regierung Kirchner in der Affäre um den toten Staatsanwalt Alberto Nisman an.

Buenos Aires. Ihr Schweigen war eloquent. Klitschnass zogen sie langsam durch das Zentrum von Buenos Aires, ernst und still. Hunderttausende Argentinier ließen sich auch von einem sintflutartigen Gewitter nicht abhalten, dem am 18. Jänner tot aufgefundenen Alberto Nisman die Ehre zu erweisen, die weder die Präsidentin noch die Chef-Staatsanwältin dem Sonderermittler zugestanden hatten.

Vom Wetterbericht vorgewarnt, hatten die meisten Menschen Regenschirme mitgebracht, die eher recht als schlecht vor den Himmelsfluten schützten. So wurde das Trommeln des Regens auf die Schirme zum akustischen Merkmal dieses Marsches, der ohne Sprechchöre, Transparente und politische Symbole auskommen sollte. Gelegentlich stimmten die Protestierenden die Nationalhymne an, und bisweilen erschall der Ruf „Justicia!“

„Nunca más – Nie wieder!“

„Ich bin hier, damit wir nicht wieder erleben müssen, dass solch ein Tod ungeklärt bleibt“, sagte der Fabrikant Darío Pastorini, der mit seinen 83 Jahren schon viel erlebt hat – Militärdiktaturen, Bombenattentate, tödliche Anschläge auf die israelische Botschaft und das jüdische Sozialwerk Amia. Und die meisten dieser Gewaltakte blieben ungesühnt. „Als die Nachricht über den Tod Nismans kam, dachte ich mir: Diesen Film hast du schon einmal gesehen. Und es darf nicht sein, dass sich solche Dinge hier wiederholen. Nunca más!“

„Nie wieder“: Das war die kollektive Forderung nach dem Ende der Militärdiktatur. Eine Formel, die sich auch die Regierung Kirchner aneignete, die – das ist ihr unbestrittener Verdienst – dafür sorgte, dass viele Verantwortliche der Militärdiktatur von 1976 bis 1983 spät, aber doch für ihre Verbrechen büßen müssen.

Nachdem die Demonstration vor dem rosafarbenen Regierungspalast endete, schallte genau dieses „Nunca más“ über die Plaza de Mayo, jenen Platz, der schon so viele Proteste gegen staatlich verübtes Unrecht angezogen hat. Dass ausgerechnet Cristina Kirchner – die derweil 500 Kilometer entfernt mit ihrer Familie in der staatlichen Strandresidenz Geburtstag feierte – sich dieses „Nie wieder“ anhören muss, ist auch die Folge mehrerer Entscheidungen nach dem Tode des Sonderermittlers.

So wurde die Aufklärung des Amia-Terrors vier Staatsanwälten übertragen, die allesamt Mitglieder der Kirchner-nahen Formation „Justicia legitima“ sind. Der neu formierte Geheimdienst ist praktisch der alte. Der neue starke Mann der Geheimdienste heißt César Milani – und der ist gleichzeitig Oberkommandierender der Streitkräfte. Dass ausgerechnet eine Regierung, die den Diktatoren in Uniform den Prozess machte, nun einem Militär derartige Macht einräumt, erfüllt nicht wenige mit Angst – vor allem, weil auch Milani im Verdacht steht, in gewaltsame Tode während der Militärdiktatur verwickelt zu sein.

Gespaltene Justiz

Erstmals waren es Staatsanwälte, die zu einer Demonstration aufriefen. Dies zeigt, wie gespalten das Justizsystem ist. Die Präsidentin nutzt ihr letztes Amtsjahr, um frei gewordene und neu geschaffene Posten in der Staatsanwaltschaft und im gesamten Staatsapparat mit Parteigängern zu besetzen.

Die Ermittlungen zum Tod Nismans verlaufen derweil schleppend. Eine Zeugin schilderte jüngst grobe Unregelmäßigkeiten bei der Beweisaufnahme. Dass diese Frau ihre Vorwürfe im offen regierungsfeindlichen Blatt „Clarín“ machte, relativiert jedoch deren Glaubwürdigkeit. Die ermittelnde Staatsanwältin Viviana Fein stuft das Ableben Nismans weiterhin als „Tod mit ungeklärter Ursache“ ein. Sollte es sich erweisen, dass es kein Selbstmord war, was die große Mehrheit der Argentinier – wie auch die Familie Nismans – annimmt, müsste Fein den Fall an einen Bundesermittler abgeben. Fein spielt auf Zeit, während aus ihrer Behörde ständig Ermittlungsdetails durchsickern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2015)

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