Russland: Die einsamen Gegner des Wladimir Putin

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RUSSIA THE OTHER RUSSIA(c) EPA (Sergei Ilnitsky)
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Die Ermordung von Boris Nemzow setzt die zerstrittene und durch Repressionen geschwächte demokratische Opposition unter Druck: Kasparow sieht keine Chance mehr für einen friedlichen Machtwechsel.

Moskau/Wien. Die Ermordung des Kreml-Kritikers Boris Nemzow ist ein harter Schlag für Russlands außerparlamentarische Opposition: Mit dem Tod des Demokraten hat das liberale Russland eine seiner markantesten Stimmen verloren. Für Putin-Gegner wird es nun noch schwieriger, sich Gehör zu verschaffen. Nicht nur wegen der Repression – strikter Demonstrationsgesetze, Verurteilungen, Einschüchterungen. Sondern auch weil die Opposition schwach (sie wird von 14 Prozent der Russen unterstützt) und zerstritten ist:


• Die Liberalen: Ex-Premier Michael Kasjanow hat die Anti-Putin-Proteste am Sonntag in Moskau angeführt und organisiert. Putin hat ihn 2004 als Regierungschef entlassen, nachdem der liberale Kasjanow die Festnahme von Oppositionellen kritisiert hatte. Der Politiker wurde zu einem der offensten Kritiker des „autoritären“ Kremls. Gemeinsam mit Nemzow gründete er die – später mit der Republikanischen Partei Russlands (RPR) fusionierte – Partei der Volksfreiheit, ein Sammelbecken für liberale Kreml-Kritiker. Mit dabei ist auch Ilja Jaschin: Der 31-Jährige hat sich durch seine Anti-Putin-Aktionen sowie seine scharfen Kolumnen in der regierungskritischen „Nowaja Gaseta“ als Vertreter der jungen russischen Liberalen einen Namen gemacht. Weiterer führender Kopf der liberalen Putin-Gegner ist Wladimir Ryschkow. Er hat den populären Oppositionellen Alexej Nawalny (siehe unten) wegen nationalistischer und rassistischer Äußerungen offen kritisiert.


• Der Charismatiker: Der Anwalt, Blogger und Korruptionsbekämpfer Alexej Nawalny ist wohl der populärste Oppositionelle. Er führte die Putin-Proteste 2012 an, bei der Bürgermeisterwahl 2013 in Moskau schaffte er einen Achtungserfolg. Weil er zu Massenprotesten gegen Putin aufgerufen hatte, wurde er erst unlängst erneut zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.


• Die Exil-Aktivisten: Auch der im US-Exil lebende Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow wurde in Russland wegen seiner Anti-Putin-Aktivitäten immer wieder festgenommen. Derzeit sei es für Russland nicht möglich, die „brutale Diktatur Putins“ friedfertig zu beenden, gab er sich nach der Ermordung Nemzows pessimistisch.

Zehn Jahre im Gefängnis saß auch Ex-Oligarch und Kreml-Gegner Michail Chodorkowskij. Heute lebt er in Zürich, finanziert von dort prodemokratische russische Initiativen und hofft auf einen Regimewechsel. Wegen seiner Geschäfte in den 1990er-Jahren sehen ihn aber viele Russen mit Skepsis. (basta)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2015)

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