Jemen: Krieg auf der arabischen Halbinsel

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Kampfflugzeuge aus Saudiarabien greifen schiitische Houthi-Rebellen in Jemens Hauptstadt Sanaa an, der saudische Verbündete Ägypten setzt Kriegsschiffe in Marsch. Der Iran, der die Houthis unterstützt, fordert ein Ende der Operation.

Kairo/Sanaa. Hohe Rauchwolken standen über der jemenitischen Hauptstadt. Schwere Explosionen und Maschinengewehrfeuer waren in Sanaa zu hören, als saudische Kampfflugzeuge am Morgen die Luftwaffenbasis al-Duleimi nahe dem Zivilflughafen sowie den von Aufständischen besetzten Präsidentenpalast angriffen. Seit Donnerstagfrüh herrscht Krieg auf der arabischen Halbinsel. Hunderte Bewohner versuchten mit ihren Habseligkeiten aus den Wohnvierteln zu fliehen. „Die Leute sind total verängstigt. Es ist furchtbar, überall in der Hauptstadt wird bombardiert“, berichtete ein jemenitischer Journalist dem Sender al-Arabiya.

Über lokale TV-Kanäle wurden alle Ärzte aufgerufen, in die Krankenhäuser zu kommen. Mehr als 100 saudische Jets waren nach Angaben aus Riad an den Angriffen beteiligt, ebenso 30 Flugzeuge aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und acht aus Bahrain. Man werde alles tun, um die legitime Regierung von Präsident Abed Rabbo Mansour Hadi zu verteidigen und zu schützen, erklärte der saudische Botschafter in Washington, Adel al-Jubeir.

Präsident Hadi setzte sich ab

Präsident Hadi freilich setzte sich noch am Donnerstag aus Aden ab, wie ein saudiarabischer Staatssender berichtete. Laut Al-Arabiya will Hadi im ägyptischen Badeort Sharm El-Sheik an der Gipfelkonferenz der Arabischen Liga teilnehmen. Hauptthema dort soll der blutige Machtkampf zwischen Sunniten und Schiiten im Jemen sein.
Der Sprecher der schiitischen Houthi, Mohammed al-Bukhaiti, sprach von einer offenen Kriegserklärung. Im Süden rückten die schiitischen Rebellen weiter auf die Hafenstadt Aden vor, in der sich tausende regierungstreue Stammeskämpfer verbarrikadiert haben. Ein Teil der Angreifer wird von Ahmed Saleh, dem Sohn des 2012 gestürzten Präsidenten Ali Abdullah Saleh, kommandiert, der auf diese Weise die verlorene Macht zurückerobern will.
US-Außenminister John Kerry begrüßte das militärische Vorgehen der arabischen Alliierten und beriet sich in einer Telefonkonferenz mit den sechs Außenministern des Golf-Kooperationsrates. Nach seinen Worten unterstützen die USA die Luftangriffe mit Logistik und Aufklärung. Zehn arabische Nationen haben sich der „Operation entscheidender Sturm“ angeschlossen, die vom neuen saudischen König Salman und seinem Sohn, dem 35-jährigen Verteidigungsminister Mohammad bin Salman, koordiniert wird.

Am Wochenende will die Arabische Liga auf ihrem Gipfel in Sharm al-Sheikh auch über die Entsendung eine panarabische Eingreiftruppe beraten. Er stehe hundertprozentig hinter den Angriffen, erklärte Generalsekretär Nabil al-Arabi. Riad ließ durchblicken, eine Bodenoffensive sei nicht ausgeschlossen. Im Kampf um den Jemen setzen die Golfstaaten allerdings vor allem auf Bodentruppen aus Pakistan und Ägypten. Beide Regime hängen am saudischen Milliardentropf und können sich diesem Ansinnen nur schwer verweigern. „Wir prüfen eine entsprechende saudische Anfrage“, hieß es aus Islamabad. Kairo setzte vier Kriegsschiffe in Richtung Aden in Bewegung. Man stehe bereit, falls Bodentruppen gebraucht würden, gab das Außenministerium bekannt.

Hochgerüstete Saudi-Streitkräfte

Ägypten hat sich schon einmal vor knapp fünf Jahrzehnten auf ein Militärabenteuer in dem bergigen und schwer zugänglichen Land an der Südspitze der arabischen Halbinsel eingelassen. Nach fünf Jahren Guerillakrieg zog der damalige Präsident, Gamal Abdel Nasser, seine 50.000 Soldaten aus dem Jemen zurück, nachdem dort mehrere tausend ihr Leben verloren hatten. Die heutige saudische Armee ist extrem hochgerüstet, im vergangenen Jahr war das Land der größte Waffenimporteur der Welt. Auf dem Feld jedoch bringt die königliche Streitmacht nicht viel zustande. Vor fünf Jahren schlug sie sich gegen einige hundert Houthi-Rebellen in der Grenzregion zu Jemen so erbärmlich, dass der damalige Monarch Abdullah wutschnaubend auf das Schlachtfeld eilte, um seinen Generälen die Leviten zu lesen. Am Ende konnten die saudischen Einheiten die Eindringlinge aus dem Nachbarland nur mit Hilfe eilends verlegter jordanischer und marokkanischer Elitetruppen zurückschlagen.
Die jetzige Offensive im Jemen unter Führung von Saudiarabien stieß beim regionalen Widersacher Iran auf scharfe Kritik. Teherans Außenminister, Mohammad Javad Zarif, forderte einen sofortigen Waffenstillstand. „Militäraktionen von außerhalb gegen Jemens territoriale Integrität und sein Volk werden nur noch mehr Blutvergießen und Tote nach sich ziehen“, erklärte er dem Sender al-Alam. Auch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini warnte vor „schwerwiegenden regionalen Konsequenzen“.

Rückschlag im Kampf gegen al-Qaida

Denn die Houthis und die mit ihnen verbündeten jemenitischen Truppenteile sind gut gerüstet. Den schiitischen Rebellen fielen Flugzeuge, Panzer, Geschütze und Fahrzeuge im Wert von 500 Millionen Dollar in die Hände, die zuletzt von den USA geliefert worden waren. So könnten die Aufständischen versuchen, mit Jets saudische Ölanlagen anzugreifen, von denen ein erheblicher Teil der westlichen Energieversorgung abhängt. Die Ölpreise zogen am Donnerstag an, die Börsen am Golf gaben teilweise kräftig nach. Auch die wichtige Suezkanal-Schifffahrtsroute durch den Golf von Aden liegt unmittelbar im Kriegsgebiet. Der Kampf gegen al-Qaida im Jemen erlitt zudem einen Rückschlag. Laut „Los Angeles Times“ fielen den Houthis geheime Unterlagen über US-Drohneneinsätze in die Hände, darunter auch Namenslisten von Informanten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2015)

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