Nigeria: Wähler trotzten Morddrohung

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In Massen strömten die Nigerianer zu den Urnen, obwohl der Boko-Haram-Führer ihnen mit Tod gedroht hatte. Gerechnet wurde mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen.

Abuja. Unbeeindruckt von der Warnung des Boko-Haram-Anführers Abubakar Shekau, jeden umzubringen, der an der Präsidenten- und Parlamentswahl in Nigeria teilnehme – und ungeachtet zahlreicher technischer Pannen sind am Samstag die Bürger des Landes in Massen zu den Wahlurnen geströmt. Angesichts technischer Probleme mussten 300 der 150.000 Wahllokale am Sonntag erneut geöffnet werden. Verlässliche Ergebnisse des Urnengangs sind nach Auskunft der Wahlkommission erst für den heutigen Montag zu erwarten. Nach den meisten Umfragen war bei der Präsidentenwahl mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Amtsinhaber Goodluck Jonathan und seinem härtesten Herausforderer Muhammadu Buhari zu rechnen.

Die Abstimmung am Wochenende wurde von den Gewalttaten der Islamistenmiliz Boko Haram begleitet. Bei mehreren Angriffen tötete die fanatische Mörderbande im Nordosten des bevölkerungsreichsten Landes Afrikas mindestens 30 Menschen, darunter einen Kandidaten der oppositionellen APC-Partei. Der Terrorfeldzug der sunnitischen Extremisten im Norden des Landes zur Errichtung eines radikalislamischen Staates, den Boko Haram zuletzt auch auf Nigerias Nachbarstaaten Kamerun, Tschad und Niger ausdehnte, forderte seit 2009 mindestens 14.000 Menschenleben. Erst vor wenigen Tagen hatten die Islamisten erneut hunderte Menschen entführt und Dutzende getötet.

Letztlich wird wohl das Verhalten des Wahlverlierers bestimmen, ob es in Nigeria nach dieser Wahl im Großen und Ganzen friedlich bleibt oder ob es zu Gewaltexzessen wie 2011 kommt. Der frühere Präsident Malawis, Bakili Muluzi, der als Wahlbeobachter eingesetzt wurde, warnte vor Gewalt nach der Abstimmung. „Gefährlich ist die Zeit nach der Wahl“, sagte er mit Blick auf die Ereignisse vor vier Jahren, als bis zu 1000 Menschen bei Unruhen nach der Wahl starben.

Ergebnis in Lagos wahlentscheidend

Damals war der Muslim Buhari von der APC-Partei dem Christen Jonathan unterlegen, der der Demokratischen Volkspartei (PDP) angehört. Jonathans Anhänger sind vor allem im Süden des Landes zu finden, während der ehemalige Militärmachthaber Buhari im Norden seine Hochburgen hat.

Die Nigerianer wählen dabei meist nach ethnischer Abstammung und Religionszugehörigkeit. Ungefähr die Hälfte der 178 Millionen Einwohner des Landes sind Muslime, etwa 45 Prozent sind Christen; sie leben überwiegend im Süden des Landes. Als wahrscheinlich ausschlaggebend für die Präsidentenwahl gilt das Wahlergebnis rund um die Wirtschaftsmetropole Lagos. Insgesamt waren rund 56,7 Millionen Nigerianer aufgerufen, ihre Stimme in einem der 120.000 Wahllokale abzugeben.

Auch der Präsident musste warten

Vor den Wahllokalen bildeten sich lange Schlangen. Diese entstanden unter anderem durch Probleme mit den elektronischen Scannern zur Identifizierung von Fingerabdrücken und biometrischen Ausweisen. Betroffen war auch Amtsinhaber Jonathan. „Es gibt Probleme mit meiner Karte und der meiner Frau. Aber sie sind dabei, diese zu lösen“, sagte der Präsident, der am Samstag 40Minuten warten musste, bis er seine Stimme abgeben konnte. Selbst viele Christen könnten aus Enttäuschung über Goodluck Jonathans bisherige Amtsführung dieses Mal für den Muslim Buhari gestimmt haben.

Die Wahl war ursprünglich bereits für den 14. Februar angesetzt worden, war wegen des Terrorfeldzugs von Boko Haram aber verschoben worden. Rund 360.000 Polizisten waren im Einsatz, um Zusammenstöße zwischen Anhängern der großen politischen Lager zu verhindern. Um die Präsidentenwahl zu gewinnen, muss ein Kandidat neben einer absoluten Stimmenmehrheit auch mindestens 25 Prozent der Stimmen in zwei Dritteln der 36 Teilstaaten des Landes gewinnen. Zur Wahl standen 14 Kandidaten. Sollte keiner die nötige Mehrheit erreichen, wäre in zwei Wochen eine Stichwahl fällig. (Reuters, dpa)

AUF EINEN BLICK

Nigeria-Wahl. Fast 57 Millionen Nigerianer waren am Wochenende aufgerufen, einen neuen Präsidenten und ein neues Parlament zu wählen. Mit 178 Millionen Einwohnern ist Nigeria das bevölkerungsreichste Land Afrikas. Etwa die Hälfte der Einwohner sind Moslems (konzentriert im Norden), rund 45 Prozent sind Christen (leben überwiegend im Süden des Landes). Bei der Präsidentenwahl zeichnete sich ein Duell zwischen dem bisherigen Amtsinhaber Goodluck Jonathan und dem einstigen Militärdiktator Muhammadu Buhari ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2015)

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