Fälschungsvorwürfe bei Präsidentenwahl in Nigeria

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Anhänger der Opposition protestierten in der südlichen Hafenstadt Port-Harcourt gegen die regierende Partei.

Kapstadt/Abuja. Die Frauen waren ganz in Schwarz gekleidet. Mit Sprechchören zogen sie vor den Sitz der Regionalregierung in der Hafenstadt Port-Harcourt in Nigerias erdölreichem Teilstaat Rivers. Die Anhängerinnen des 72-jährigen Präsidentschaftskandidaten Muhammadu Buhari warfen der regierenden Partei Wahlbetrug vor und forderten eine Wiederholung des Urnengangs. Kurz danach rückte die Polizei an, um die etwa 2000 Demonstrantinnen mit Tränengas auseinanderzutreiben.

Viele Beobachter hatten mit Zwischenfällen rund um die Wahlen in Afrikas bevölkerungsreichstem Land gerechnet. Und schon am Beginn des Urnenganges in Nigeria kam es zu einem peinlichen Zwischenfall. Fernsehkameras filmten den amtierenden Präsidenten, Goodluck Jonathan, 57, bei der Stimmabgabe in seinem Heimatdorf Otuoke. Erstmals wurden Maschinen eingesetzt, die biometrische Daten der Wähler lesen sollten. Besonders die Opposition um Gegenkandidat Buhari hatte sich für die Verwendung des Systems eingesetzt. Es soll Manipulationen erschweren. Doch drei Lesegeräte vermochten die Fingerabdrücke des ersten Mannes des Staates und seiner Frau nicht zu erkennen. Die Jonathans verließen die Wahlstation und kehrten erst Stunden später zurück. Ihre für die Stimmabgabe erforderlichen Personalien wurden schließlich manuell erfasst. Ähnliche Probleme gab es in 300 der insgesamt 150.000 Wahllokale. Mindestens drei hochrangige Politiker von Jonathans Partei People's Democratic Party (PDP) waren ebenfalls betroffen. Die ursprünglich lediglich für Samstag geplanten Wahlen wurden auf den Sonntag ausgeweitet.

Beeindruckender Mut der Wähler

Neben dem Präsidentenamt wurde auch das aus 360 Parlamentariern bestehende Unterhaus neu gewählt. Die rund 60 Millionen registrierten Wähler unter den 170 Millionen Einwohnern bewiesen dabei beeindruckenden Mut. Denn die Terrororganisation Boko Haram hatte im Vorfeld Terroranschläge angekündigt und machte diese Drohung auch wahr. Die in den vergangenen beiden Monaten schwer dezimierte Miliz attackierte unter anderem Wahlstationen im Nordosten. Nach Angaben von lokalen Behörden wurden im Dorf Buratai mindestens 25 Nigerianer getötet. Einige davon wurden offenbar geköpft, berichtete der Lokalpolitiker Ibrahim Adamu dem Fernsehsender CNN.

„Der Krieg gegen die Terroristen geht weiter, ob gewählt wird oder nicht“, sagte der amtierende Präsident Jonathan. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon verurteilte die Anschläge, bezeichnete die Stimmabgabe als „weitgehend friedlich und geordnet“. Die Nigerianer hätten „im Angesicht von unvertretbarer Gewalt Widerstandskraft bewiesen“. Es komme nun darauf an, diese Haltung bei der Bekanntgabe des Ergebnisses beizubehalten. Er forderte zu Besonnenheit und Geduld auf.

„Glaubwürdige“ Abstimmung

Der Chef der Wahlkommission, Attahiru Jega, bezeichnete die Abstimmung als „frei, fair, glaubwürdig und friedlich“. Laut ersten Auszählungsergebnissen vom Montagnachmittag lag Herausforderer Buhari zunächst vorn. Die Analysten hatten ein enges Rennen zwischen Jonathan und Buhari prognostiziert, das womöglich gar eine Stichwahl innerhalb der kommenden beiden Wochen erforderlich mache. Die beiden Politiker waren bereits 2011 gegeneinander angetreten, damals gewann Jonathan mit 59Prozent der Stimmen deutlich. Der Politiker aus dem Süden verwies im Wahlkampf auf die ökonomischen Erfolge des Landes. Der ehemalige Militärdiktator Buhari betonte dagegen, dass Jonathan im Kampf gegen Boko Haram versagt habe. Buhari ist besonders im vorwiegend muslimischen Norden populär.

ERSTE ERGEBNISSE

Nach Auszählungen in sechs Bundesstaaten Nigerias vom Montagabend (29 Staaten fehlten noch) lag der muslimische Oppositionskandidat, Muhammadu Buhari, bei der Präsidentenwahl in Führung vor dem christlichen Amtsinhaber, Goodluck Jonathan. Beobachter rechneten mit einem knappen Ergebnis. Buhari (72) hatte bereits früher Nigeria als Militärdiktator beherrscht; sollte er an die Macht kommen, wäre es der erste Wahlsieg der Opposition seit der Rückkehr des westafrikanischen Landes zur Demokratie 1999.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2015)

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