Österreich einigte sich mit Vertragspartnern auf Strategiewechsel. Am Abkommen selbst ändert sich nichts. Indonesien, Japan, Kanada und Argentinien sind als neue Mitglieder im Gespräch.
Wien. Die Aufgabe war heikel, fast nicht zu lösen. Österreichs Regierungschef Werner Faymann hatte offen die Schließung des König-Abdullah-Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog gefordert, falls es sich nicht klar von Menschenrechtsverletzungen in Saudiarabien distanzieren würde. Vor allem im Fall des saudischen Bloggers Raif Badawi, der wegen seiner Plädoyers für Religionsfreiheit zu zehn Jahren Haft und 1000 Peitschenhieben verurteilt worden ist, dürfe die Organisation nicht schweigen, hat der Kanzler mehrmals gemahnt. Das internationale Abdullah-Zentrum, spätestens seit einem Interview von Vize-Generalsekretärin Claudia Bandion-Ortner („In Saudiarabien wird nicht jeden Freitag geköpft“) heftig umstritten, wurde zum innenpolitischen Spielball. Faymann inszenierte geradezu eine Kampagne.
Die anderen Vertragsparteien, Spanien, der Vatikan und vor allem auch die Geldgeber aus Saudiarabien, waren entsetzt. Die Saudis zogen alle Register, drohten damit, das Abdullah-Zentrum nach Genf zu verlegen und bei der Gelegenheit gleich auch den Opec-Fund aus Wien abzuziehen. Recht unverhohlen warnten sie zudem vor wirtschaftlichen Konsequenzen für österreichische Firmen. Ein diplomatischer, ökonomischer und innenpolitischer Super-GAU bahnte sich an. Es wäre das erste Mal gewesen, dass ein Gast- und Gründungsstaat eine internationale Organisation aus dem Land vertreibt.
Deshalb versuchte Außenminister Sebastian Kurz, in die Offensive zu gehen. Er servierte die ehemalige Justizministerin Bandion-Ortner ab und kündigte eine Neuaufstellung des Abdullah-Zentrums an. Zähe Verhandlungen folgten, zunächst mit dem sozialdemokratischen Koalitionspartner und dann mit den Vertragsparteien. Weder Saudiarabien noch Spanien noch der Vatikan (Beobachterstatus) ließen Bereitschaft erkennen, die Satzung des Dialogzentrums zu ändern. Die Mission der Organisation sei in dem Vertrag, den Faymann mitgetragen habe, ganz klar festgelegt: Es gehe um den Dialog der Religionen, das Abdullah-Zentrum sei keine Menschenrechtsorganisation.
Gesichtswahrender Kompromiss
Doch die Verhandler aus dem Außenamt ließen nicht locker, suchten bei diskreten Reisen nach Riad, Rom und Madrid einen Kompromiss, der für alle Seiten gesichtswahrend wäre. Am Freitag einigten sich die Vertagsparteien dann auf ein Strategiepapier. Am Abkommen ändert sich nichts, das ist ausdrücklich festgehalten – ein Zugeständnis an Saudiarabien, Spanien und den Vatikan.
Doch immerhin setzte Österreich eine stärkere Fokussierung auf Menschenrechte durch. Es soll sogar ein eigener Experte in den Stab des Zentrums aufgenommen werden. Auch das Arbeitsprogramm soll stärker auf diesen Aspekt ausgerichtet werden, zum Beispiel durch spezielle Seminare und auch eine stärkere Zusammenarbeit mit Menschenrechtsorganisationen – das alles aber innerhalb des bestehenden Mandats und „mit dem Verständnis, dass dies nicht die Hauptaktivität des Zentrums darstellt“.
Der Plan sieht außerdem vor, neue Mitglieder aufzunehmen. Japan und Indonesien sind im Gespräch, ebenso Kanada und Argentinien sowie ein Staat aus Afrika. Auch das Image des Zentrums in der Öffentlichkeit soll verbessert werden, durch einen engeren Kontakt zu den Medien, der Zivilgesellschaft und internationalen Organisationen wie EU und UN, vor allem jenen in Wien. Dem Direktorium wird nahegelegt, sich zu Angelegenheiten zu äußern, die sich auf Menschenrechte und Religionsfreiheit beziehen.
Martin Weiss, Sprecher des Außenamts, bezeichnete die Einigung als „ersten Schritt“. Mit der Umsetzung des Pakets werde sofort begonnen, dazu seien aber auch weitere Gespräche notwendig. Genauso sprach Kulturminister Josef Ostermayer von einem „ersten Schritt“. Zusatz: „In den nächsten Monaten werden wir sehr genau beobachten, ob den Worten auch Taten folgen.“
„Eine große PR-Offensive“
Kritik kam von der Menschenrechtssprecherin der Grünen, Alev Korun. „Die völlige Abhängigkeit von Saudiarabien bei der Finanzierung bleibt. An den Verträgen soll sich nichts ändern“, sagte sie. „Die Einigung bedeutet eine große PR-Offensive statt Reform und breiter Aufstellung des Zentrums.“
Offen ist auch noch, wer Bandion-Ortner als Vize-Generalsekretär nachfolgen wird. Es ist nicht sicher, dass die Stelle wieder durch einen Österreicher besetzt wird.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2015)