Israel reißt zwei Häuser ab - und baut viele neue

(c) REUTERS (BAZ RATNER)
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Palästinensische Grundbesitzer sind erfolgreich gegen zwei illegal gebaute Häuser vor Gericht gezogen. Nach Abriss will Regierung in Jerusalem hunderte Neubauten errichten. Amnesty wirft Israel Kriegsverbrechen vor.

Jerusalem. Geschützt von einer polizeilichen Hundertschaft rissen Bulldozer zwei illegal errichtete Häuser in der israelischen Siedlung Beit El, südlich von Ramallah, ab. Hunderte Siedler versammelten sich am Mittwoch in den Morgenstunden und versuchten, die Polizei zurückzudrängen. Zuvor hatte der Oberste Gerichtshof in Jerusalem eine Petition gegen den Abriss der beiden Häuser zurückgewiesen. „Mit meinem Blut werde ich die Erde Israels verteidigen“, steht in bunten Buchstaben auf einer Häuserwand in Beit El – ein Zitat des zionistischen Untergrundkämpfers Jair Stern.

Beit El ist ein Präzedenzfall für den erfolgreichen Kampf palästinensischer Grundbesitzer, die es mit Israels Instanzen aufnehmen. Der Rechtsspruch für die Häuser kam vor einem Jahr. Bis Ende Juli, so die Frist des Obersten Gerichtshofs, mussten die beiden Häuser dem Erdboden gleichgemacht werden. Bereits im Oktober 2008 war die israelische Menschenrechtsorganisation Jesch Din („Es gibt ein Recht“) zum ersten Mal zusammen mit palästinensischen Grundstücksbesitzern vor Gericht gezogen, um den Abriss der damals noch unbewohnten fünf Häuser zu bewirken.

„Bauen, bauen, bauen“

Harbi Hassan, einer der beiden Grundbesitzer aus dem palästinensischen Dorf Dura, das in unmittelbarer Nachbarschaft von Beit El liegt, kommentierte damals den Richterspruch euphorisch. Bevor die Armee das Land konfiszierte, baute sein Großvater dort Weintrauben an. Später durften die Bauern nur an Samstagen zu ihren Bäumen, erinnerte er sich. Knapp 30.000 Quadratmeter Land gehörten seiner Familie. Auch der Rest von Beit El, wo heute über eintausend Familien leben, befinde sich auf palästinensischem Privatland.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gab unterdessen dem Druck des nationalreligiösen Koalitionspartners Das jüdische Haus nach und kündigte an, nach dem Abriss der beiden Häuser 300 neue Gebäude in Beit El bauen lassen zu wollen. Zusätzlich sollen 500 Neubauten für jüdische Israelis in Ostjerusalem errichtet werden.

Auch Justizministerin Ayalet Schaked von der Siedlerpartei, die den Richterspruch zähneknirschend akzeptierte, versprach, dass die abgerissenen Häuser in Kürze neu errichtet werden. „Dies ist der jüdische Weg“, so Schaked. „Wir geben die Hoffnung nie auf, sondern bauen, bauen, bauen.“ Die palästinensische Führung verurteilte den geplanten Neubau, der erneut beweise, dass es Israel nicht ernst sei mit der Zweistaatenlösung.

Der Abriss der beiden Häuser trifft die Siedler gerade in diesen Tagen auf einem empfindlichen Nerv. Vor zehn Jahren räumte Israel die Siedlungen im Gazastreifen. Viele der Leute, die damals zum Teil gewaltsam aus ihren Häusern geholt werden mussten, leben bis heute in provisorischen Unterkünften; viele sind ohne Arbeit.

Ebenfalls am Mittwoch hat Amnesty International einen Bericht veröffentlicht und Israel Kriegsverbrechen vorgeworfen: Die Armee habe „aus Vergeltung für die Geiselnahme eines israelischen Soldaten“ gehandelt. Der Bericht stützt sich auf Analysen, die mit Hilfe von forensischen Experten erstellt wurden.

Angriff trotz Feuerpause

Die Stadt Rafah im Gazastreifen wurde Anfang August 2014 Schauplatz heftigster Angriffe durch die israelische Armee, nach der angeblichen Entführung des Soldaten Hadar Goldin. Der vor einigen Monaten veröffentlichte Bericht des UN-Menschenrechtsrats zum Gaza-Krieg hielt bereits fest, dass israelische Truppen die „grundlegendsten Prinzipien der Kampfführung ignoriert“ hätten. Mit der jetzt veröffentlichten, umfangreicheren Analyse erhärte sich der Verdacht. Die meisten Opfer waren auf dem Weg nach Hause, kurz zuvor hatten sich beide Kriegsparteien auf eine Feuerpause verständigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2015)

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