Donald Trump und der Kult der Spontanität

Der grobe Milliardär ist der politischen Elite, die er verächtlich macht, recht ähnlich. Er meidet mühsame Sachpolitik und serviert dem Volk leere Worte.

Am Donnerstag werden jene zehn Herren, die sich Hoffnungen darauf machen, 2016 für die Republikaner für das Präsidentenamt der USA zu kandidieren, vor den Kameras von Fox News ihre erste öffentliche Debatte vor breiterem Publikum abhalten. Man könnte an dieser Stelle einiges über den Zustand der amerikanischen Demokratie und der republikanischen Partei anmerken, beginnend bei der Tatsache, dass es keine Frau in die erweiterte Auswahl der ernsthaften Anwärter geschafft hat, und endend bei der Feststellung, dass der mögliche nächste Präsident der größten Weltmacht nach dem Gutdünken eines Fernsehsenderchefs gekürt wird; denn wer nicht zu diesen zehn zählt, kann seine Kampagne sofort beenden.

Hier aber sei der Blick nur auf jenen Mann gerichtet, der bei dieser Debatte im Mittelpunkt stehen wird: Donald Trump, der rüpelhafte Baulöwe aus New York, liegt seit dem Beginn seiner erstaunlichen Kampagne vor sechs Wochen in den Umfragen vor allen Konkurrenten. Natürlich wird er nicht am 20.Jänner 2017 als US-Präsident angelobt werden. Er wird nicht einmal die Nominierung als Kandidat seiner Partei gewinnen – außer in jenem Paralleluniversum, in dem die Amerikaner sich nach den Amtszeiten des demokratischen Präsidenten Howard Dean und seines republikanischen Nachfolgers, Herman Cain (der erste Schwarze im Weißen Haus!), einen Mann an der Spitze der Nation wünschen, der jeden zu beleidigen erhofft.

Denn Trump hat kaum eine Gesellschaftsgruppe ausgelassen: Frauen im Allgemeinen („Wenn Hillary Clinton nicht einmal ihren Mann befriedigen kann, wieso denkt sie dann, dass sie Amerika zufriedenstellen kann?“) und Mütter im Besonderen („Sie sind verklemmt und ekelerregend“, herrschte er eine junge Anwältin an, die während einer Gerichtsverhandlung um eine Pause bat, um Milch für ihr Baby abzupumpen), Kriegsveteranen (an den republikanischen Senator John McCain gerichtet, der fünfeinhalb Jahre in vietnamesischer Gefangenschaft war, sagte der Drückeberger Trump, er bevorzuge Leute, die sich nicht fangen lassen) und lateinamerikanische Einwanderer („Sie bringen Drogen, sie bringen Verbrechen. Sie sind Vergewaltiger“).

Es ist Geschmacksfrage, ob man solche Auslassungen bloß als infantile Versuche eines Narzissten wertet, seinen Namen in Versalien nicht nur auf Hochhäusern zu platzieren, sondern auch in der Politik, oder als kalkuliert-bösartige Appelle an Ressentiments, den Frauen- und Fremdenhass, gegen die leider auch die Vereinigten Staaten nicht gefeit sind.

Wenn man diesen Wortmüll beiseiteschiebt, eröffnet sich eine trostlose Leere im Trump'schen Weltbild: Er nennt die unter Präsident Barack Obama eingeführte Krankenversicherungspflicht „sehr schlecht“ und will sie durch ein System konkurrierender privater Versicherungsanbieter und staatlicher Zuschüsse für Arme ersetzen. Genau so funktioniert aber Obamacare. Er möchte jeden illegal in den USA befindlichen Ausländer aufspüren und deportieren, die „guten“ aber behalten. Die Terrorarmee des Islamischen Staats plant er zu besiegen, indem er „die Hölle aus den irakischen Ölfeldern herausbombt“. Als Ministerin in seinem Kabinett wünscht er sich die als Politikerin und Fernsehgestalt gescheiterte Sarah Palin.

Sachliche Ideen hat dieser Mann nicht vorzubringen. Er reizt einzig mit seiner Unverblümtheit. Das gefällt jenen, die alle Politiker verachten und sie in die Mülltonne treten möchten. Doch dieser Kult der Spontanität, wie ihn Michael Gerson, einst Redenschreiber von George W. Bush, in der „Washington Post“ bezeichnet, führt ins Nirgendwo.

Trump ist, streng genommen, ein Nihilist, der bestenfalls an sich selbst glaubt. Darin ähnelt er Silvio Berlusconi. Doch hier endet die Parallele. Die USA haben eine Systemkrise, sie sind aber mit dem politischen Aschenfeld, aus dem Berlusconi vor einem Vierteljahrhundert aufgestiegen ist, nicht zu vergleichen. Es mag auf abgründige Weise unterhaltsam sein, dem Elefanten im Porzellanladen zuzuschauen – sofern es nicht das eigene Geschirr ist, das er zertrümmert. Die Amerikaner sind stolz auf ihr Familienporzellan. Auch dieser Elefant wird sich bald wieder nur mehr im Zirkus produzieren.

E-Mails an:oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2015)

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