Slowakei sperrt sich gegen Flüchtlinge

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Die Einwohner von Gabčíkovo haben gegen die Aufnahme von Flüchtlingen gestimmt. So wie die anderen mittel- und osteuropäischen Staaten setzt auch die Slowakei auf eine rigide Asylpolitik.

Bratislava. Die Entscheidung fiel klar aus: 97Prozent derer, die im kleinen slowakischen Ort Gabčíkovo zur Abstimmungen gegangen waren, stimmten gegen die Aufnahme von Asylwerbern aus Österreich. „500 Flüchtlinge in einer Gemeinde mit nur 5400 Einwohnern sind zu viel“, argumentiert Gabčíkovos Bürgermeister, Iván Fenes. Die Innenminister Österreichs und der Slowakei hatten ursprünglich vereinbart, dass 500 Asylwerber aus dem überfüllten österreichischen Flüchtlingslager Traiskirchen bei Wien für die Dauer ihres Asylverfahrens in der Slowakei untergebracht werden sollen. Als Quartier war dafür eine Unterkunft der Technischen Universität Bratislava in dem nahe der Hauptstadt gelegenen Ort vorgesehen. Der slowakische Innenminister, Robert Kaliňák, beharrt darauf, dass die Flüchtlinge aus Österreich trotzdem nach Gabčíkovo kommen. Man sei nun eben in der Europäischen Union, und da werde ein gewisses Mindestmaß an Solidarität erwartet.

Mit besonderem Eifer tut sich die Slowakei bei der Aufnahme von Flüchtlingen ja nicht gerade hervor. Und damit handelt sie ähnlich wie die meisten anderen mittel- und osteuropäischen Staaten in der EU, die einst sozialistisch waren (siehe Grafik). Und die Stimmung in der Slowakei ist nicht gerade danach, etwas an dieser Politik zu ändern.

Dass der sozialdemokratische Innenminister Kaliňák trotz des negativen Referendums in Gabčíkovo hart bleiben will, ist für die Regierung ein heikles Unterfangen. Denn im kommenden Frühling muss sich die sozialdemokratische Alleinregierung einer Parlamentswahl stellen. Und alle Umfragen lassen erwarten, dass sie ihre absolute Mehrheit auch ohne das Flüchtlingsthema verlieren wird. Noch dazu schlachten rechtsextreme Gruppierungen, die sonst meist unter der Wahrnehmungsschwelle agieren, das Flüchtlingsthema kräftig aus und bekommen bei Demonstrationen „gegen die Islamisierung Europas“ und das „Diktat von Brüssel“, das man für das Asyldilemma verantwortlich macht, ungewohnt hohen Zulauf.

Die Zahl der Flüchtlinge, die überhaupt versuchen, in dem Land Asyl zu beantragen, ist schon so gering wie in kaum einem anderen EU-Mitgliedsland. Im gesamten Jahr 2014 wurden bei den slowakischen Behörden lediglich 330 Asylanträge gestellt, heuer waren es bisher 74.

An der Spitze der Scharfmacher

Kaliňák wirft der Opposition vor, das Thema zu missbrauchen und die fremdenfeindliche Stimmung auszunützen, um „billiges politisches Kapital“ daraus zu schlagen. Liberale Medien wie die Tageszeitungen „Sme“ und „Denník N“ kritisieren dabei schon fast täglich, dass gerade Kaliňák und Premier Robert Fico selbst solche Ängste nicht unwesentlich geschürt haben: einerseits gerade mit der wiederholten Warnung vor Terroristen, die sich unter die Flüchtlinge mischen könnten. Und andererseits aber auch, indem man sich von Beginn der europäischen Asyldebatte stets an die Spitze der Scharfmacher gestellt und Flüchtlinge mit Verweisen auf Krawalle in Frankreich und anderen Ländern pauschal als Unruhestifter stigmatisiert habe. Nie habe sich die Regierung aufklärend von der in Internetforen verbreiteten Stimmung distanziert.

Der Bürgermeister von Gabčíkovo, Fenes, will jedenfalls nicht klein beigeben und fühlt sich durch den Wählerauftrag gestärkt: „Obwohl das Ergebnis des Referendums nicht bindend für die Staatsorgane ist, ist es für uns wichtig, dass wir trotzdem auch in dieser Form die Meinung unserer Bürger präsentieren können“, sagt er nach Ende der Auszählung. Er will sich „schon in den nächsten Tagen“ schriftlich an das Innenministerium in Bratislava wenden, um die Unterbringung der 500Asylbewerber im Ort noch zu verhindern.

AUF EINEN BLICK

Das Abkommen zwischen Wien und Bratislava sieht vor, dass die Slowakei 500Flüchtlinge in Gabčíkovo unterbringt. Bratislava übernimmt dafür die Kosten. Wien bleibt für die Betreuung und das Asylverfahren zuständig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2015)

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