Der türkische Premier, Ahmet Davutoğlu, will am Samstag eine Übergangsregierung fixieren.
Wien/Ankara. Von einer absoluten Mehrheit, die sich die türkische Regierungspartei mit der jüngst ausgerufenen Neuwahl wohl erhofft, ist die AKP derzeit noch entfernt. Verschiedenen Umfragen zufolge liegt die Partei zwischen 44 und 39 Prozent. Eine Koalitionsregierung ist bei diesem Ergebnis unumgänglich, dabei sind nach den Wahlen im Juni – die AKP hat die absolute Mehrheit verloren – die Koalitionsgespräche gescheitert.
Am heutigen Samstag will der Premier, Ahmet Davutoğlu, die Übergangsregierung dem Präsidenten, Recep Tayyip Erdoğan, vorlegen. Drei Ministerposten sollen von der prokurdisch-linken HDP besetzt werden, der rechtsnationalistischen MHP soll der Vize-Premier-Posten zufallen. Zuvor hat die MHP eine Koalitionsarbeit mit der AKP, insbesondere aber auch mit der HDP ausgeschlossen. Die Übergangsregierung könnte sich also – auch mit Hinblick auf die Umfrageergebnisse – als Lackmustest für mögliche Koalitionen nach der Neuwahl am 1. November erweisen.
Die AKP-Regierung will ein neues Präsidialsystem einführen, wofür sie eine Zweidrittelmehrheit im Parlament braucht. Beobachtern zufolge hat Erdoğan aus diesem Grund die Koalitionsgespräche nach der Juni-Wahl platzen lassen.
Russen bleiben daheim
Unterdessen kämpft die Türkei mit einer wirtschaftlichen Konjunkturflaute, die auch auf die fragile politische Lage im Land zurückzuführen ist. Jüngst ist die Lira in ein Allzeittief gerasselt. Um die Konjunktur anzukurbeln, hat der Premier sogar die Schul- und Semesterferien um zwei Wochen verlängert; davon soll die Tourismusbranche profitieren. Dieser sonst so starke Zweig musste heuer Einbußen hinnehmen. Viele russische Urlauber fielen aus, denn auch Moskau kämpft mit einer Wirtschaftskrise. (ag./duö)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2015)