Fliegen Russlands Jets über Syrien?

Rebel fighters from ´Jaysh al-Sunna´ inspect the damage at a weapons factory operated by them that was targeted in what activists say were U.S.-led air strikes on Atma village
Rebel fighters from ´Jaysh al-Sunna´ inspect the damage at a weapons factory operated by them that was targeted in what activists say were U.S.-led air strikes on Atma village(c) REUTERS (AMMAR ABDULLAH)
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Bilder, die in sozialen Netzwerken auftauchten, führen zu wilden Gerüchten. Die USA wollen nun überprüfen, ob Russlands Luftwaffe direkt aufseiten des Assad-Regimes eingreift.

Washington/Wien. Die Fotos zeigen offenbar russisches Fluggerät – darunter auch den modernen Jagdbomber Suchoi 34. Die Bilder, die angeblich von syrischen Rebellen in der Provinz Idlib aufgenommen worden waren, geisterten tagelang durch die sozialen Netzwerke. Moskau hatte schon bisher die syrischen Streitkräfte mit Beratern und militärischem Gerät unterstützt. Jets vom Typ Suchoi 34 waren aber bisher nicht darunter. Das heizt die Gerüchte an, dass Russland mittlerweile schon direkt in Syrien eingreifen könnte.

Nun reagierte auch die US-Regierung auf diese Spekulationen: „Wir sind auf dem Laufenden über Berichte, dass Russland militärisches Personal und Fluggerät in Syrien eingesetzt haben könnte, und wir verfolgen diese Berichte ziemlich genau“, sagte Josh Earnest, der Sprecher des US-Präsidenten, in Washington. Jede militärische Unterstützung des syrischen Machthabers Bashar al-Assad, „ob in Form von Personal, Fluggerät, Waffen oder Finanzierung, ist sowohl destabilisierend als auch kontraproduktiv“, warnte Earnest.

Ein US-Regierungsvertreter gab zudem bekannt, dass Russland „um Genehmigung für Militärflüge in Syrien“ gebeten habe. Es sei nach wie vor unklar, was Moskau damit bezwecke. „Es liegt an den Russen, genau zu erklären, was sie tun“, sagte Peter Cook, der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums.

Gerüchten zufolge könnte sich Moskau in den Kampf gegen die Extremisten des sogenannten Islamischen Staates (IS) einschalten. Der IS kontrolliert große Teile Syriens und des Irak und hat dort sein eigenes „Kalifat“ ausgerufen. Seit etwas mehr als einem Jahr fliegt eine internationale Koalition unter der Führung der USA Luftangriffe gegen den IS.

Einladung an Opposition?

Russland will als enger Verbündeter des syrischen Machthabers Bashar al-Assad die USA dazu bewegen, das syrische Regime in den Kampf gegen den IS miteinzubeziehen. Doch Washington zögert. Es beharrt so wie der Großteil der syrischen Opposition darauf, dass Assad die Macht abgeben müsse und keine Rolle mehr in einem neuen Syrien spielen dürfe. Der russische Präsident, Wladimir Putin, sagte am Freitag, dass Assad bereit wäre, die Opposition an der syrischen Regierung zu beteiligen. Assad unterstütze vorgezogene Parlamentswahlen und sei offen dafür, Kontakte mit der „sogenannten gesunden Opposition“ aufzubauen und diese in die Regierung zu nehmen, so Putin am Rande eines Wirtschaftsforums im russischen Wladiwostok.

Ob sich die syrische Opposition darauf einlassen will, ist freilich mehr als fraglich. Angesichts der schweren Verbrechen durch das Assad-Regime in den vier Jahren seit Beginn des Aufstandes können sich die meisten Oppositionsführer eine direkte Kooperation mit dem Machthaber nur schwer vorstellen.

Dazu kommt, dass unklar ist, was Putin und Assad mit „sogenannter gesunder Opposition“ genau meinen. Das syrische Regime hat bisher nur eine kleine Gruppe als Gesprächspartner anerkannt, die de facto eine Art von Pseudo-Opposition darstellt. Die meisten anderen Gruppen wurden bisher vom Regime grundsätzlich als „Terroristen“ bezeichnet, die vernichtet werden müssten – und zwar auch jene Gruppen, die keinen jihadistischen Background haben.

IS attackierte andere Rebellen

Der Großteil der Kampfeinsätze und der Luftangriffe der syrischen Streitkräfte wurde auch nicht gegen den IS durchgeführt, sondern gegen Städte, die von anderen Rebellengruppen kontrolliert werden. Zu Beginn hatte das Assad-Regime sogar dem Aufstieg des IS tatenlos zugesehen: Denn in seinem Streben nach der absoluten Macht fiel der IS auch über alle anderen Fraktionen her – nicht nur moderate Rebellengruppen, sondern auch über andere Jihadisten. Deshalb ist auch unklar, ob direkte russische Einsätze nur gegen den IS gerichtet wären. (APA/w.s.)

AUF EINEN BLICK

Russland ist einer der wenigen Verbündeten des syrischen Regimes von Machthaber Bashar al-Assad. Moskau hat Assad schon bisher tatkräftig mit Militärgerät und Beratern unterstützt. Nun sind im Internet Fotos aufgetaucht, die einen modernen, russischen Jagdbomber vom Typ Suchoi 34 über der syrischen Provinz Idlib zeigen sollen. Das führte zu Spekulationen, die russische Luftwaffe könnte direkt Angriffe in Syrien fliegen. Die US-Regierung gab nun bekannt, sie werde Hinweise auf ein militärisches Eingreifen Russlands in Syrien überprüfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2015)

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